Leserbrief

Wer ist verantwortlich für achtzigprozentige Abhängigkeit?

Wer wagt heute noch eine achtzigprozentige Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten? Die schmerzhafte und teure Ablösung vom russischen Erdgas ist hausgemacht. Bei einer Abhängigkeitsquote von 80 Prozent muss die Frage gestellt werden, nach welchen Kriterien hier eine adäquate Beschaffungsstrategie angewandt wurde. Zentrales Ziel einer solchen Beschaffungsstrategie ist die Sicherstellung der Versorgung eines Unternehmens oder in diesem Fall eines ganzen Staates mit allen nötigen Mitteln. Demgegenüber stehen die damit verbundenen Kosten und das wirtschaftliche Interesse, diese Kosten so gering wie möglich zu halten. In der Privatwirtschaft würde man das vorliegende Modell mit einer Abhängigkeit von 80 Prozent als "Single Sourcing" (Einzelquellenbeschaffung) bezeichnen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Günstigerer Einkaufspreis, Sicherungsgeschäfte werden überflüssig und Bestellungen können als Routinevorgänge abgewickelt werden, dadurch geringer Verhandlungs-, Kommunikations- und Logistikaufwand für den Einkauf, besonders wenn Rahmenverträge geschlossen werden. Die Risiken lesen sich einfacher und flüssiger: Überproportionale Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten, Risiko von Lieferschwierigkeiten bei Produktionsausfällen.
Wirft man einen Blick in die Unterlagen eines klassischen BWL-Studiums, so lernt man bereits in den ersten zwei Semestern die Chancen und Risiken der Beschaffungsstrategie eines Unternehmens. Dort liest man auch von einem "30%-Modell", in dem - ich zitiere --"dringend empfohlen wird, nicht mehr als 30% der Produktionskapazität eines Anbieters in Anspruch zu nehmen. Dadurch soll verhindert werden, dass es bei Produktionsschwankungen des Lieferanten unmittelbar zu Lieferverzögerungen kommt. Außerdem gerät der Lieferant dadurch nicht in vollkommene wirtschaftliche Abhängigkeit vom Abnehmer."
Meine Frage dazu: Wer trifft solche Entscheidungen? Die OMV? Die Regierung? Oder beide? Wer auch immer, sie haben schlechte Berater oder verfügen einfach über zu wenig kaufmännische Kenntnis. Schade, denn die Rechnung zahlen die Bürger/-innen.

Leo Fellinger, 5201 Seekirchen

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