Leserbrief

Wie geht es weiter mit dem Bundesheer?

Herrn Alexander Purger ist dafür zu danken, dass er - mit dem Mut der Verzweiflung - immer wieder seine Finger in die Wunden der österreichischen Landesverteidigung legt. Ohne den nunmehr seit zehn Monaten tobenden Krieg in der Ukraine hätte es dennoch zu keinem Umdenken innerhalb Österreichs und dessen Sicherheitspolitik geführt. Die Friedensdividende muss nunmehr zurückbezahlt werden, da Souveränität ohne Fähigkeit, diese zu bewahren und zu erhalten, nicht möglich ist. Die parteipolitisch motivierten Träume der vergangenen, sagen wir fünfzehn Jahre, rächen sich nun. Spannend ist, dass keine der politischen Parteien auf die Idee verfällt, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema ins Leben zu rufen.
Immerhin, zumindest theoretisch, denkt die Politik über das Thema nach und die militärische Landesverteidigung soll massiv gestärkt werden, wie der Generalsekretär des BMLV, Arnold Kammel, nunmehr ausführt. Man ist zur Erkenntnis gelangt, dass der Friede in Europa doch nicht vom Himmel fällt. Die vom BMLV vor Jahren in Kraft gesetzte Sicherheitsdoktrin(!), mit der man eine zehnjährige Vorwarnzeit bis zum Ausbruch einer echten Krise erdachte, hat sich als falsch erwiesen. Wer konnte das nur mit welchen Hintergedanken erfinden? Die Schimäre Vorwarnzeit ist verbraucht, wir haben Krisen verharmlost und müssen daher mit Krieg leben. Das bis dato skelettierte und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Bundesheer wieder zum Leben zu erwecken, ist heute, zehn Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine noch immer nicht begonnen worden. Jetzt stecken alle Möglichkeiten zur Reaktion in einer Sackgasse, weil ganz Europa alarmiert ist und agiert. Immerhin, das Bundesheer sucht bereits Experten für Expertenstäbe - das Abzeichen dafür gibt es schon. Darüber, dass es heute kaum mehr Personal und zu wenige Wehrpflichtige gibt, spricht man nicht. Es gibt keine wesentlichen Truppen mehr, keine Luftraumüberwachung (wer spricht von Luftraumverteidigung?), keine Mittel für die Verteidigung des Landes und der Bevölkerung. Die Kasernen und Übungsplätze sind verkauft. Einsatz des Bundesheeres? Für die Post, Lawinen oder Hochwasser, Polizeiaufgaben, mehr geht nicht. Auch in den Kasernen wird das Licht ausgehen. Als echte Neuigkeit präsentiert der Generalsekretär jetzt ein neues Strategiepapier und erklärt, dass in Europa "Krieg als Mittel zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen wieder in Kauf genommen" wird. Ah geh, das ist jetzt tatsächlich etwas grundlegend Neues. Beunruhigend in dieser unruhigen Zeit ist lediglich, es wird sich nichts ändern … die Republik will sich erneut durchlavieren.

Mag. Norbert Sinn, 2263 Dürnkrut

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