Kultur bewahrt das Angedenken der verstorbenen Mitmenschen. Der Beginn einer solchen Kultur ist versinnbildlicht in der Tragödie "Antigone" von Sophokles: Antigone, die in ihrer Trauer um ihren toten Bruder, welcher achtlos vor die Tore von Theben hingeworfen wurde, diesen wiederholend mit Erde bedeckt. Die Schächer von Kreon schütteln diese Erde immer wieder weg. Dieser Staatsräson stellt sich Antigone entgegen.
Die Philosophin Judith Butler differenziert in diesem Zusammenhang, zwischen jenen, die innerhalb des kapitalistischen Systems betrauert werden, und jenen, die übersehen werden. Diesen Unterschied zwischen der Betrauerbarkeit zeigt, wer in den kapitalistischen hierarchischen Kontexten menschliche Wertschätzung erfährt und wem diese humane Pflicht vorenthalten wird.
Am 24. dieses Monats durfte ich bei einer Abschiedsfeier in der Feuerhalle des Kommunalfriedhofs anwesend sein. Zwanzig verstorbene in Armut gefallene Mitmenschen erhielten eine sogenannte Sozialbestattung. Diese Form der Trauerfeier für diese Mitbürger/-innen wurde von Frau Verena Wengler (Leiterin des städtischen Bestattungsinstituts) ins Leben gerufen. Die Feier selbst wurde im katholischen Ritus mit einem dementsprechenden transzendenten Ausblick würdevoll gestaltet.
Zu ergänzen wäre, dass die Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften, ob anderer christlicher Konfessionen und/oder abrahamitisch (in unserem Fall muslimisch) oder auch im weiteren Feld (buddhistisch), mitgestaltend ökumenisch einbezogen werden könnten. Denn niemand kennt das Bekenntnis der anwesenden Teilnehmenden. Eine Rücknahme von zu viel Weihwasser und einseitig katholischem Gestus ("Staubzucker") wäre dem Anliegen noch gemäßer.