
Meine Heldin ist die zweite Frauenbewegung. Ich bin nach der Matura 1974 aufgrund eines sehr starken Abnabelungswunsches zum Studium "weit weg" nach Innsbruck gegangen. Architektur - für eine junge Frau damals noch sehr ungewöhnlich, nicht einmal 20% der Studierenden waren weiblich. Meiner Mutter war zwar immer wichtig, mir zu vermitteln, dass eine Frau einen eigenständigen Beruf braucht, um nicht von Männern abhängig zu sein, aber Lehrerin wäre ihr lieber gewesen.
Im Lauf des ersten Studienjahres dämmerte mir langsam, dass es vielleicht doch nicht nur an mir persönlich liegen konnte, dass mir schien, meine Wortmeldungen wären nicht so interessant - wie die der Kollegen, meine Fragen wären dümmer - als die der Kollegen, ich wäre nicht so schlagfertig - wie die Kollegen, etc. Rückblickend gesehen erfuhr ich damals - aus einer reinen Mädchenschule in dieses technisch/künstlerisch männliche orientierte Feld geworfen - die Binsenweisheit: 'Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von allen (Männern).' Von meinen berühmten Vorfahrinnen, die konkrete Vorbilder hätten sein können, wie z.B. Margarethe Schütte-Lihotzky oder den Bauhaus-Architektinnen erfuhr ich erst sehr viel später.
Es dauerte daher ein bisschen, bis ich aus meiner Erstarrung aufwachte, nicht mehr Gleiche unter Gleichen zu sein. Noch dazu mit dem Makel behaftet, dass mein damaliges typisches - in meiner Salzburger Umgebung ganz normales - Outfit Lodenmantel und Hut waren! Ich schaute mich also nach 'Gleichen' um und fand die zweite Frauenbewegung. In Innsbruck! Abonnierte die EMMA ab der ersten Nummer und begann langsam damit, mein scheinbar persönliches Versagen auch als gesellschaftlich bestimmte, so genannte Normalität zu erkennen.
Schnell habe ich dann diese Erkenntnisse in aktive Student/-innenpolitik und allgemeine Gesellschaftskritik eingebracht. Zurück im noch konservativeren Salzburg und meinem zukünftigen beruflichen Umfeld von lauter kleinen Stararchitekten war mir diese Einstellung sehr hilfreich: Dahinter zu schauen, was könnte unter abwertenden Äußerungen, selbstverständlichem mich Übersehen, meinen Partner als 'Herr Architekt' und mich als 'Frau Spannberger' zu begrüßen als systemimmanente Gründe liegen.
Arch.in DIin Ursula Spannberger