Als Isa Genzken im vergangenen Jahr mit dem Kaiserring der Stadt Goslar eine der weltweit wichtigsten Auszeichnungen für moderne Kunst bekam, reagierte sie leise. "Das macht sehr glücklich", sagte sie, "das ist ein schöner Preis". Genzken mag keinen Rummel um ihre Person. Sie arbeitet am liebsten allein in ihrem Atelier im Berliner Stadtteil Charlottenburg, meidet öffentliche Auftritte und hasst Interviews wie der Teufel das Weihwasser.
Dennoch freut sie sich, dass ihr langjähriger Galerist Daniel Buchholz zu ihrem 70. Geburtstag in seiner Dependance in Berlin eine Ausstellung für sie ausrichtet. "Sie arbeitet intensiv an der Vorbereitung mit und will auf jeden Fall kommen, wenn es ihre Gesundheit zulässt", sagt Buchholz im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Genzken leidet an einer bipolaren Störung mit seelischen Auf und Abs. Für Buchholz sind es aber vielleicht gerade diese Erfahrungen, die ihrem Werk eine besondere Tiefe geben. "Ihre Arbeiten sind nie nur das, was man sieht. Sie hat einen ganz besonderen, anderen Blick auf die Dinge, der nicht ausgedacht ist, sondern ihre wirkliche Empfindung."
Das gilt für die ganze Bandbreite ihres rätselhaften Werks - angefangen bei den filigranen, meterlangen Ellipsoiden der ersten Jahre über die scheinbar groben Betonarbeiten bis zu den raumfüllenden Erzählbildern, in denen sie skurril verkleidete Schaufensterpuppen als verfremdete Selbstporträts gestaltet. "Mach Dich hübsch!" hieß 2016 die Ausstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau, in der ihr Gesamtwerk vorgestellt wurde.
Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin, in gutbürgerlichem Haus in Hamburg aufgewachsen, hat sich nie in eine Schublade stecken lassen. Anfangs von der Minimal Art und der Konzeptkunst inspiriert, erkundete sie immer wieder neues Terrain, scheute auch vor Brüchen und Wagnissen nicht zurück.
Sie schuf Skulpturen, Installationen und Collagen, arbeitete mit Fotos und Filmen, Holz, Beton und Stahl, zuletzt viel mit "objets trouvés", Fundstücken des Alltags. "Ich verknüpfe gern Dinge, die vorher zusammenhanglos dastanden", sagte sie einmal. "Diese Verbindung ist wie ein Händedruck unter Menschen."
Genzkens zweite Heimat ist New York. Nach ihrem Kunststudium in Hamburg, Berlin und Düsseldorf machte sie mit einem Reisestipendium dort wichtige künstlerische Erfahrungen und kehrt seither immer wieder dorthin zurück. In New York wird sie auch von den Dämonen ihrer Seele verschont.
Das Museum of Modern Art, das mächtigste Museum für zeitgenössische Kunst, widmete ihr 2013 eine umfassende Retrospektive, die später durch die USA tourte. Seit September erinnert eine ihrer berühmten Rosen, eine acht Meter hohe Skulptur aus bemalten Stahl, neben dem neuen World Trade Center an die Toten des Terroranschlags vom 11. September 2001.
Auch hierzulande wird sie längst hoch geschätzt. Dreimal nahm sie an der documenta in Kassel teil, 2007 vertrat sie Deutschland bei der Biennale in Venedig: Unter dem Titel "Oil" verwandelte sie den Pavillon in den Giardini in eine vom Tod gezeichnete Welt des Massentourismus.
"Beharrlich unangepasst", lobte die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Und das Kunstmagazin "Monopol" nannte sie in seinem jährlichen Ranking 2007 die "bedeutendste lebende Künstlerin". Dass die einstige Meisterschülerin von Gerhard Richter nach ihrer Ehe mit dem Malerstar (1982-1993) zunächst als "die Frau von ... " gehandelt wurde, ist längst vergessen. Sie hat sich selbst in die Kunstgeschichte eingeschrieben.