Ein Leben ohne Smartphone und andere digitale Geräte. Es klingt wie ein Experiment, das viele junge Menschen an den Rand der Verzweiflung bringen würde: Denn statt schnell in die Hosentasche zu greifen, um sich in einer neuen Umgebung orientieren zu können, müsste man sich zuvor um eine Karte bemühen. Die Verwaltung des eigenen Bankkontos würde einen Besuch in der Bank erfordern, statt einfach eine App zu öffnen, und an Anwendungen wie WhatsApp wäre nicht zu denken.
Für einen nicht unerheblichen Teil der österreichischen Bevölkerung stellt dieses "Experiment" den Alltag dar. Zwar nutzen immerhin 87 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher über 15 Jahre laut einer Erhebung des Statistikportals Statista und dem Handelsverband ein Smartphone - Tendenz steigend. Doch gerade Ältere seien von der Technik häufig überfordert: "Für viele der Generation 65 plus ist die digitale Welt ein unbekanntes Terrain", sagt Ingrid Korosec. Sie ist Präsidentin des österreichischen Seniorenbunds und macht auf Chancen und Herausforderungen durch die Digitalisierung für Ältere in der Gesellschaft aufmerksam.
Analoge Zugänge nicht einfach kappen
"Das Problem ist, dass bei digitalen Anwendungen häufig keine Rücksicht auf die Bedürfnisse älterer Menschen genommen wird", erklärt Korosec. Sie halte nichts von einer "Zwangsdigitalisierung", welche sie insbesondere bei Banken und Versicherungen erkennen könne. "Man bringt Menschen nicht in die digitale Welt, indem man alle analogen Zugänge einfach kappt."
Vor welchen Problemen Seniorinnen und Senioren im Umgang mit digitaler Technik stehen, wissen Peter Ziereis und Eileen Eggeling aus eigener Erfahrung. Die beiden sind nicht nur selbst in höherem Alter - sie unterrichten als Digitaltrainer auch andere ältere Menschen im Umgang mit Smartphone, Tablet und Co.
Seit fünf Jahren organisiert Peter Ziereis in der Flachgauer Gemeinde Grödig einen wöchentlichen Digital-Stammtisch, speziell für ältere Menschen. Auch Eileen Eggeling bringt Gleichaltrigen den Umgang mit digitaler Technik bei - und das obwohl sie selbst ihr Leben lang technisch "eine Katastrophe" gewesen sei, wie sie erzählt. Genau diese Erfahrung und ihr Alter helfen ihr nun jedoch als Trainerin für Gleichaltrige: "Ich weiß genau, dass man in höherem Alter nicht mehr so gut hört oder sieht. Dafür habe ich Verständnis und kann in den Kursen darauf eingehen."
"Digitale Teilhabe hat viel mit gesellschaftlicher Teilhabe zu tun"
Einige dieser Kurse werden vom Salzburger Bildungswerk angeboten, darunter auch die Ausbildung für Trainerinnen und Trainer, die Peter Ziereis und Eileen Eggeling absolviert haben. "Digitale Teilhabe hat viel mit gesellschaftlicher Teilhabe zu tun", sagt Marlene Klotz, die beim Bildungswerk für den Bereich Medienbildung verantwortlich ist. Sie nennt ein einfaches Beispiel aus dem Alltag: "Teilweise bekommen ältere Menschen nicht mehr mit, was in der eigenen Familie passiert, wenn sie kein WhatsApp haben." Digital mit anderen in Kontakt zu bleiben sei auch ein Weg aus der Einsamkeit, sagt Klotz. Vor allem in Zeiten von Lockdowns könne die digitale Technik fehlende soziale Kontakte ausgleichen.
Doch auch in anderen Bereichen kann die Digitalisierung das Leben der Senioren in Österreich erleichtern, wie Ingrid Korosec vom Seniorenbund erklärt: "Telemedizin, Telepflege und Smarthomes, durch die sich Herd oder Lampen automatisch ausschalten, sind gute Beispiele dafür, wie die Abhängigkeit von anderen reduziert werden kann." Auch Onlinebanking oder der Onlineeinkauf können laut Korosec ein Segen für viele ältere Menschen sein.
Oftmals Angst vor der Technik und Angst vor dem Versagen
Einer der Hauptgründe, warum ältere Menschen digitale Medien verweigerten, sei Angst, meint Peter Ziereis. Angst vor der Technik, aber auch Angst vor dem Versagen. Diese Sorgen müsse man ernst nehmen, anstatt sie zu belächeln. Habe man die anfängliche Verweigerung überwunden, stehe dem digitalen Alltag nichts mehr im Wege, sagt er und erinnert sich an eine Kursteilnehmerin: "Die Dame hatte wahnsinnige Angst, sie konnte das Handy nicht einmal ordentlich in der Hand halten. Sie hat auch schlecht gehört und schlecht gesehen - also da gab es jede Menge Herausforderungen. Doch sie hat sich trotzdem damit auseinandergesetzt. Und siehe da: Vor Kurzem hat sie mich angerufen und mir erzählt, dass sie sich gerade zu Hause WLAN eingerichtet hat, damit sie mit ihrem Smartphone dort andocken kann."
Neben Angst sei auch Wut eine häufige Reaktion, ergänzt Digitaltrainerin Eileen Eggeling: "Es gibt Leute, die drücken wie wild am Smartphone herum, wenn etwas nicht funktioniert. Doch das bringt nichts. Was es braucht, sind Ruhe und Gelassenheit." Denkbar einfach ist also jener Satz, den Eggeling und ihr Kollege Ziereis in den Kursen immer wieder predigen: "Zuerst denken, dann tun."