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Scharfe Kritik an TV-Film "Riesending": Bergwacht "in falsches Licht gerückt"

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann äußerte sich kritisch zum Spielfilm "Riesending - Jede Stunde zählt": Fiktion und Wirklichkeit gingen an vielen Stellen deutlich auseinander. Reaktion von ServusTV: Der Spielfilm sei keine dokumentarische Rekonstruktion, sondern "ganz klar erkennbar Fiktion".

Szene aus dem Film „Riesending – Jede Stunde zählt“.

Die Bergwacht Bayern hat die Darstellung der Höhlenrettung von 2014 in dem TV-Zweiteiler "Riesending - jede Stunde zählt" (ServusTV, ARD) scharf kritisiert. Wie viele Rückmeldungen zeigten, entstehe der Eindruck, dass es sich um eine Dokumentation handle, sagte Klaus Burger, Regionalleiter der Bergwacht Chiemgau und damals mit in der Einsatzleitung. Die Darstellung spiegle aber nicht Rettungswillen und Kompetenz der Bergretter wider. "Die Bergwacht wird insofern in ein falsches Licht gerückt, was unsere hochmotivierten ehrenamtlichen Frauen und Männer nicht verdient haben", sagte Burger am Freitag.

In der Riesendinghöhle bei Berchtesgaden hatte an Pfingsten 2014 ein Steinschlag einen Forscher schwer verletzt. In einem spektakulären Einsatz mit 700 Helfern - Höhlenkletterer aus fünf Ländern und Mitglieder zahlreicher Organisationen - gelang die Rettung. In dem Spielfilm wird der Einsatzleiter der Bergwacht als zaudernd und überfordert dargestellt; vor allem scheint ihn das gute Image der Bergwacht zu interessieren. "In keiner Weise" nehme der Film die Wirklichkeit auf, sagt Thomas Küblbeck von der Bergwacht Marktschellenberg, ehemaliger Regionalleiter und Einsatzleiter bei dem Einsatz. Der Sprecher der Bergwacht, Roland Ampenberger, kritisiert, auf Kosten der Bergwacht und deren Ehrenamtlichen werde eine Schwarz-Weiß-Welt gezeichnet.

"Wir fragen uns, was hier die Motivation ist und was letztendlich die Aussage des Films sein soll, wenn ein Realitätsanspruch besteht, gleichzeitig aber eine ganze Organisation diskreditiert wird, um Spannung zu erzeugen", sagt Ampenberger. "Wir sind in Sorge, dass sich die Darstellung dieses Rettungseinsatzes alles andere als positiv auf die Motivation unserer Einsatzkräfte, insbesondere aber auch auf alle ehrenamtlichen Aktiven anderer Hilfsorganisationen, auswirkt." Auch online bekam die Bergwacht Unterstützung. "Ich fand es unmöglich und eine Frechheit wie die Bergwacht in diesem Film dargestellt wurde", kommentierte ein Nutzer auf Facebook.

"Film weicht deutlich vom tatsächlichen Geschehen ab"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat nach der Ausstrahlung des Fernsehfilms "Riesending - Jede Stunde zählt" der Bergwacht nochmals für ihren damaligen Einsatz gedankt und darauf hingewiesen, dass sich der Film in großen Teilen vom tatsächlichen Ablauf der elftägigen Rettungsaktion mit mehr als 800 Einsatzkräften weit entferne. "Der Film ist keine Dokumentation, sondern vielmehr ein am realen Geschehen angelehntes modernes Märchen. Das ist völlig zulässig, es wird aber an manchen Stellen der Eindruck erweckt, als habe der Film auch einen dokumentarischen Charakter." Insbesondere, was die Rolle der Bergwacht betrifft, weiche der Film deutlich vom tatsächlichen Geschehen ab. Denn die Zusammenarbeit zwischen Höhlenrettern, Bergwacht, den vielen hochmotivierten ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern auch aus dem Ausland, den Hilfsorganisationen, der Bundeswehr, der Bundes- und Landespolizei sowie der Feuerwehr sei hervorragend gewesen.


Der Film, so Herrmann, blende einige entscheidende Aspekte des Rettungseinsatzes völlig aus. Große Herausforderungen waren im realen Geschehen die Logistik sowie die Organisation der vielen Einsatzkräfte. Auch die Frage der Kosten kommt im Film nicht zur Sprache. Herrmann: "Die Bayerische Staatsregierung hat hier von Anfang pragmatisch, unbürokratisch und schnell unterstützt. Denn es war sehr wichtig, die beteiligten Organisationen, darunter auch die Bergwacht, von den finanziellen Risiken freizustellen." Auch die Bundeswehr komme in dem Film als wichtiger Akteur im Einsatz überhaupt nicht vor: "Das im Film nicht so positiv dargestellte Bild der Bergwacht entspreche nicht der Arbeit der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, wie wir es tagtäglich in der Bergrettung erleben."

ServusTV: "Wenig Einfluss auf Buch, Regie und Umsetzung"

Auf Anfrage der SN meldete sich am Freitag ServusTV in dieser Causa zu Wort. ",Riesending - Jede Stunde zählt' ist ein Spielfilm nach einer wahren Begebenheit, aber keine Dokumentation, sondern ganz klar erkennbar Fiktion. Dementsprechend folgt der Film einem fiktionalen Drehbuch, greift Teile des tatsächlichen Geschehens auf, ist aber keine dokumentarische Rekonstruktion", hieß es aus dem Salzburger Sender. Zudem sei ServusTV der Junior-Partner dieser Koproduktion mit der ARD und habe de facto wenig Einfluss auf Buch, Regie und Umsetzung: "Grundsätzlich ist festzuhalten, dass ServusTV den Einsatz der Bergwacht außerordentlich schätzt und in Dokumentationen und Magazinen immer wieder ausführlich positiv über deren Arbeit berichtet."

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