Die Bundesregierung präsentierte am Mittwoch ein Maßnahmenpaket, das bei Sexualdelikten bzw. Gewalt gegen Frauen und Kinder strengere Strafen, aber auch mehr Opferschutz und Täterarbeit bringen soll. Vieles davon warschon länger angekündigt, etwa die Anhebung der Mindeststrafe bei Vergewaltigung. Fertige Gesetzesentwürfe gibt es noch nicht, diese sollen im Laufe des Jahres folgen.
Kritik der Opposition
Die Opposition vermisst in den geplanten Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von Gewaltdelikten mehr Maßnahmen für die Opfer: "Vor allem Symbolik, aber kaum konkrete Hilfe für Opfer" ortete SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim am Mittwoch in einer Aussendung. "Strengere Strafen allein bringen nichts", meinte Irmgard Griss von den NEOS. "Leere Worte" vernimmt Maria Stern von der Liste JETZT.
"Wir sind dafür, dass mehr gegen Gewalt an Frauen getan wird und alles unternommen wird, um solche Taten zu verhindern", meinte Jarolim zwar, aber: "Wenn es die Regierung damit auch ernst meinen sollte, dann kann das, was heute vorgelegt wurde, nicht alles gewesen sein." Vor allem fehle Geld für Opferschutz und Täterarbeit, kritisierte nicht nur Jarolim, sondern auch SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek.
Wenig überzeugt zeigte sich auch Griss von den NEOS. "Strengere Strafen allein bringen nichts. Was es braucht, ist ein ganzheitlicherer Ansatz, der auch dem erhöhten Personalbedarf im Justizbereich Rechnung trägt", meinte sie und betonte ebenso, dass es über das Strafrecht hinaus weitere Maßnahmen brauche. Griss verwies auf das von den NEOS präsentierte Gewaltschutzpaket, das etwa die Einrichtung einer nationalen Koordinationsstelle vorsieht.
"Wenn man bedenkt, dass Vergewaltigungen zu einem großen Teil im familiären Umfeld geschehen, können härtere Strafen dazu führen, dass es noch weniger Anzeigen gibt", befürchtet wiederum JETZT-Parteichefin Stern, denn: "Hemmschwellen könnten nämlich zu Hürden werden." Bei einer Verurteilungsrate von lediglich 13 Prozent gelte es eher, bereits bestehende Gesetze ernst zu nehmen, meint Stern.
Gewalt an Frauen
In keinem europäischen Land ist der Anteil der Frauen unter Opfern von Tötungsdelikten höher als in Österreich. Darauf wies die Grüne Bundesrätin Ewa Dziedziec anlässlich des Internationalen Aktionstags gegen Gewalt an Frauen am Valentinstag hin. Sie und Vertreter aller weiteren Oppositionsparteien übten am Dienstag massive Kritik an der von der Regierung geplanten Strafverschärfung bei Gewaltdelikten.
Die Pläne sehen unter anderem eine höhere Mindeststrafe für Vergewaltigung und fortgesetzter Gewaltausübung vor. Das wird als kontraproduktiv erachtet, weil es nach Ansicht von Experten Frauen, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, von Anzeigen abhält.
Nach Angaben von Jetzt-Chefin Maria Stern betragen die volkswirtschaftlichen Kosten in Folge häuslicher Gewalt in Österreich 3,7 Milliarden Euro pro Jahr. Im Sinne eines "Sparpakets" fordert sie 210 Millionen Euro für Opferschutz und Täterarbeit. "Der Nährboden von genderbasierter Gewalt ist unter anderem die finanzielle Abhängigkeit von Frauen bzw. Frauenarmut", sagte die Chefin der Liste Jetzt bei einer Pressekonferenz. Sie fordert unter anderem die Einführung einer Unterhaltssicherung, damit von Gewalt betroffene Frauen nach der Trennung als Alleinerzieherinnen nicht in der Armut landen.
Die frühere SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek kritisierte neuerlich die Kürzung von Subventionen für Frauenschutzeinrichtungen und verlangt drei Millionen zusätzlich für Gewaltschutz - zwei Drittel davon für Beratungseinrichtungen, ein Drittel für Täterarbeit. "Das hat der Finanzminister locker", meinte die Frauenvorsitzende ihrer Partei und konstatierte: "Frauenpolitik existiert nicht in diesem Land."
Niki Scherak (NEOS) erachtet Gewalt gegen Frauen als Männerproblem. "Täterarbeit, Männerberatung und Gewaltprävention gehören massiv ausgebaut", sagte der Nationalratsabgeordnete. Aktuell nähmen nur drei Prozent der Männer, über die ein Betretungsverbot verhängt wurde, an einem Anti-Gewalt-Training teil. "Daran sehen wir, dass wir ein grundlegendes Problem haben", erklärte Scherak. Im Sinn von Prävention fordert er mehr Bewusstseinsbildung an Schulen mit dem Fokus auf Buben und junge Männer.
Aktionstag One Billion Rising am 14. Februar
Gerade hier werde gespart, beklagte Aiko Kazuko Kurosaki, die künstlerische Leiterin der heuer zum siebenten Mal in Österreich stattfindenden Aktion "One Billion Rising" mit getanzten Kundgebungen am Valentinstag. Workshops in Schulen würden seit diesem Jahr nicht mehr unterstützt, sagte Kurosaki. Dass im Rahmen der - in New York entstandenen und von Dziedzic nach Österreich geholten - Aktion ausgerechnet getanzt wird, hat unter anderem damit zu tun, dass Frauen das Tanzen an öffentlichen Orten nicht überall auf der Welt gestattet ist. Eine Milliarde (one billion) bezieht sich auf die Zahl der weiblichen mutmaßlichen Gewaltopfer.
Auch in Salzburg wird es eine Aktion geben: Um 18.30 Uhr findet am Anton-Neumayr-Platz in der Innenstadt eine Kundgebung statt: Es wird auch hier getanzt - zu Musik von den DJanes Madame Mü und Sachlich Richtig vom Kollektiv Tanzbar. Zudem gibt es einen Auftritt der Showdancegruppe Lightlines vom Turnverein Maxglan, dazu kommen mehrere Ansprachen, auch in unterschiedlichen Sprachen.
Im Anschluss daran kann man entweder bis 22 Uhr im Szene-Foyer weitertanzen oder um 20 Uhr die Lesung "The Vagina Monologues" mit Judith Valerie Engel u.a. im Markussaal (Gstättengasse 16) hören. Die Aufführung ist in englischer Sprache.
Die für Frauen, Diversität, Chancengleichheit zuständige Salzburger Landesrätin Andrea Klambauer sagte am Mittwoch mit Blick auf "One Billion Rising": "Gewalt und sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen darf niemals toleriert werden, weder im öffentlichen Raum noch in privaten Beziehungen. Frauen fühlen noch immer den Druck, darüber zu schweigen," Sie ist davon überzeugt, dass in Europa, aber auch in Österreich Gewalt an Frauen wieder salonfähig würde. Vieles gehe Hand in Hand mit der gesellschaftlichen Entwicklung und der Politik in vielen Ländern hin zu einem traditionell-patriarchalen Geschlechterverständnis, meint Klambauer. "Das ist nicht nur äußerst beunruhigend, sondern auch höchst gefährlich. Daher gilt es, immer und immer wieder dagegen aufzustehen, Frauen in all ihren Lebensbereichen zu stärken sowie Gleichberechtigung und Selbstbestimmung zu ermöglichen", ist die Landesrätin überzeugt. "One Billion Rising" sei in diesem Zusammenhang ein Signal weltweiter Solidarität, eine Demonstration der Gemeinsamkeit, womit Frauen sich tagtäglich auseinandersetzen müssen. "Mit One Billion Rising zeigen wir, wie viel wir sind", erklärt Klambauer.
Die weiteren Strafverschärfungen laufen unter dem Motto "null Toleranz", wie die für die Ausarbeitung zuständige Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP), im Vorfeld vor Journalisten betonte. Teile des Pakets, die vor allem die Prävention betreffen, wurden angesichts aktueller Gewalttaten bereits im Jänner vorgestellt. Nun kommt das Gesamtbündel in den Ministerrat, bevor sich Edtstadler in den EU-Wahlkampf verabschiedet.
Viele der mehr als 50 Maßnahmen entspringen der vor rund einem Jahr eingesetzten "Task Force Strafrecht". Einiges - etwa die Mindeststrafenerhöhung und der Ausschluss von bedingter Strafnachsicht bei Vergewaltigungen - geht aber über die von den Experten verfassten Reformvorschläge hinaus und sorgte dementsprechend für Kritik auf Juristenseite, aber auch von Frauenorganisationen.
Konkret wird bei Vergewaltigung die Mindeststrafe von einem auf zwei Jahre erhöht und damit eine gänzliche Strafnachsicht ausgeschlossen. Der Stalking-Paragraf wird erweitert, fortgesetzte Gewaltausübung strenger bestraft. Für Rückfalltäter werden in bestimmten Bereichen die Höchststrafen um die Hälfte erhöht, und Mindeststrafen werden eingeführt bzw. erhöht.
Schwere Traumatisierung gilt bei Gewalt- und Sexualdelikten nach den Regierungsplänen künftig als Erschwerungsgrund, ebenso wie Taten von Volljährigen gegen Minderjährige oder gegen Angehörige. Rechtskräftig verurteilte Sexualtäter gegen Minderjährige oder wehrlose Personen erhalten ein lebenslanges Tätigkeitsverbot in diesem Bereich. Herabgesetzte Strafrahmen für junge Erwachsene werden gestrichen.
Im Bereich des Opferschutzes werden die Wegweisung samt Betretungsverbot für die Gewalttäter neu geregelt, es wird ein Annäherungsverbot auf 50 Meter verankert. Bei den Frauenhäusern soll ein Wechsel in ein anderes Bundesland möglich sein, und der Opfernotruf soll durch eine dreistellige Telefonnummer einfacher werden. Für Übergangswohnungen in den Ländern wird der Bund Geld zur Verfügung stellen.
Als Lehre etwa aus dem Fall Brunnenmarkt sollen Gerichte und Sicherheitsbehörden besser vernetzt werden. Geheimhaltungs- und Verschwiegenheitsverpflichtungen sollen vor allem im medizinischen Bereich gelockert werden, Anzeige- und Meldepflichten vereinheitlicht. Fallkonferenzen soll es künftig wieder geben, unter Leitung der Polizei und auf rechtlicher Basis.
Fix verankern will die Regierung auch die Täterarbeit. Es soll bundesweit Gewaltinterventionszentren (GIZ) geben, von denen sich Täter verpflichtend betreuen lassen müssen.
Weitere Maßnahmen betreffen die Prävention von weiblicher Genitalverstümmelung und von Gewalt im Namen der Ehre. Hier soll etwa auch die Möglichkeit zur Änderung der Sozialversicherungsnummer geschaffen werden, um den Opfern zu ermöglichen, ein neues Leben zu beginnen.
FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz betonte bei der Präsentation die große Praxiserfahrung, die in die Reform eingeflossen sei - symbolisiert durch ihn als Rechtsanwalt und durch Edtstadler als frühere Richterin. Man habe sich in einem einjährigen Prozess mit 120 Experten auseinandergesetzt, betonte er.
Diesen breiten Ansatz würdigte auch Christian Pilnacek, Generalsekretär im Justizministerium. Sektionschef Mathias Vogl aus dem Innenministerium betonte vor allem den Opferschutz und die Täterarbeit bei dem Vorhaben. Dieses allein auf die Strafverfolgung zu reduzieren, greife viel zu kurz, sagte er.