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Corona-Kommission will Präventionsmaßnahmen

Die Infektions-Rekordzahlen unmittelbar nach der breiten Öffnung lassen die Nerven blank liegen. Die Corona-Kommission sprach sich heute für die Wieder-Einführung geeigneter Präventionsmaßnahmen aus. Später relativierte man die eigene Empfehlung und ist nun nur noch für "die Umsetzung geeigneter Präventionsmaßnahmen", ohne konkreter zu werden. Kanzleramt und Gesundheitsministerium sehen ohnehin keinen Handlungsbedarf.

Öffnungen röten die Corona-Ampel
Öffnungen röten die Corona-Ampel

Die Vorgänge in der Sitzung der Kommission waren einigermaßen eigen. Zunächst wurde mit nur einer Enthaltung - nämlich der Vertretung des Kanzleramts - die vergleichsweise scharfe Formulierung verabschiedet. Dann verließ das Gremium offenbar die eigene Courage und Vorsitzende Katharina Reich ließ über den abgeschwächten Text abstimmen. Der fand deutlich weniger Gefallen. Mit sieben Enthaltungen ging sich aber gerade noch eine Mehrheit aus.

Ressortchef Johannes Rauch (Grüne) sieht das ganze offenkundig nicht ganz so brisant wie seine Spitzenbeamten in der Kommission. In einer Stellungnahme des Ministeriums Donnerstagabend hieß es: "Wir müssen sehr darauf achten, Akzeptanz und Verständnis in der Bevölkerung nicht zu verlieren. Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen wenige Tage nach der weitgehenden Öffnung wäre der Bevölkerung nicht vermittelbar." Sie sei nach den Prognosen, die die Corona-Kommission selbst veröffentlicht habe, auch nicht nötig. Eine Überlastung des Gesundheitssystems sei in keinem einzigen Bundesland absehbar.

Verwiesen wurde etwa darauf, dass man nicht nur auf die reinen Infektionszahlen schauen dürfe, sondern auch auf den Anteil der symptomatischen Erkrankungen und in weiterer Folge auch auf die Lage in den Spitälern und Gesundheitseinrichtungen. Freilich sieht es auch da nicht gerade rosig aus, geht aus den Ampel-Dokumenten hervor.

Die Zahl der asymptomatischen Fälle liegt gerade noch bei 29 Prozent und das ist zum größten Teil Wien zu verdanken, das eine breite Teststrategie verfolgt und mehr als zwei Drittel der Fälle als asymptomatisch ausweist. Zum Vergleich: In Tirol ist es ein Prozent, in Kärnten sind es sieben. Auch die Spitalsprognosen klingen nicht unbedingt günstig. In der Vorschau für Salzburg liegt die Auslastung der Normalstationen in zwei Wochen bei 129 Prozent, in Tirol bei 117 Prozent, in Niederösterreich bei 114 Prozent und im Burgenland bei 109 Prozent.

Selbstverständlich sei es den Ländern selbst überlassen, in ihrem Bereich schärfere Maßnahmen zu ergreifen, schreibt das Sozialministerium. Der Bund lege nur die Unterkante der Maßnahmen fest. Diese sei aus heutiger Sicht richtig.

Begründet wurde in der Kommission der Wunsch nach Präventionsmaßnahmen mit den steigenden Fallzahlen und der steigenden Belastung im Bereich der Normalstationen an den Spitälern. Zumindest indirekt Kritik übt man an der Aussetzung der Impfpflicht. Diese habe man "stets als probates Mittel zur Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems" angesehen.

Die breiten Öffnungen in Verbindung mit der neuen Omikron-Untervariante, die aktuell in Österreich das Kommando übernimmt, lassen die Corona-Ampel jedenfalls wieder satt rot erstrahlen. Gingen die Zahlen in den vergangenen Wochen tendenziell leicht zurück, zeigt der 14-Tage-Trend nun wieder teils kräftig nach oben. Auch das Systemrisiko an den Normalstationen ist im Steigen begriffen, geht aus dem der APA vorliegenden Arbeitsdokument der zuständigen Kommission hervor.

Die Entwicklung ist gegenüber der Vorwoche ungünstig. War da Wien schon nahe daran, die Höchstrisiko-Zone zu verlassen, sieht es nun wieder anders aus. Die Risikozahl, anhand der die Farbgebung bestimmt wird, ist überall nach oben gegangen. Lag sie für das Bundesgebiet vor einer Woche noch bei 169, erreicht sie jetzt knapp 215. Um wenigstens in die zweithöchste Risikozone "Orange" zu kommen, dürfte die 100 nicht überschritten werden.

Wien bleibt klar bestes Bundesland und hat aktuell einen Wert von 122 bei der Risikozahl, die neben den reinen Infektionen auch Parameter wie Impfstatus und Alter der Patienten berücksichtigt. Vergangene Woche lag der Wert bei 105. Stabil Schlusslicht - diesmal mit einem Wert von 363 - ist Tirol. Besonders stark war der Fallanstieg in den vergangenen beiden Wochen im Burgenland mit 22 Prozent, vergleichsweise am geringsten in der Bundeshauptstadt mit vier Prozent.

Relativ ungünstig entwickelt sich die Situation auch an den Normalstationen der Spitäler. Das Burgenland ist schon im zweistelligen Bereich bei der Covid-spezifischen Belegung. Der Prozentsatz dürfte sich in den kommenden Wochen noch einmal um rund 50 Prozent auf 15 Prozent erhöhen. In allen anderen Bundesländern werden sich die Covid-Fälle in den Krankenhäusern ebenfalls häufen, auch auf den Intensivstationen, wenngleich dort in einem wohl verkraftbaren Ausmaß.

Die übrigen Parameter zeigen im Vergleich zu den Wochen davor kaum Auffälligkeiten. Weiter wird der größte Teil asymptomatischer Fälle in Wien entdeckt. Bei zwei von drei der festgestellten Infektionen in der Bundeshauptstadt gibt es keine typischen Symptome. In keinem anderen Bundesland gibt es einen Wert, der über ein Drittel hinausgeht. Getestet wird auch wie üblich vornehmlich im Osten. In Wien kommen knapp 107.000 Tests auf 100.000 Einwohner. Relativ knapp dahinter folgen Burgenland und Niederösterreich. Ebenso schon Tradition hat, dass man im Westen keine Freude am Testen hat. Tirol, Salzburg und Vorarlberg sind die Schlusslichter dieses Rankings.

Die höchste reine Fallinzidenz hat diesmal ein niederösterreichischer Bezirk, nämlich Scheibbs. Die niedrigste Inzidenz hat die Stadt Villach gefolgt von Steyr-Stadt und Linz-Stadt. Gerade noch acht Bezirke bzw. Regionen haben einen rückläufigen 14-Tage-Trend.

KOMMENTARE (2)

Klaus Duschek

Der neue Gesundheitsminister wird ja wohl nicht mit (ganz böses Wort in Zeiten von lauter Expert*innen) "Hausverstand" gesegnet sein? Falls ja - und danach sieht es aus - kann man nur gratulieren! Und an die sogenannten "Expert*innen" (wobei mir dieser Begriff für unsere oberste Medizinerin in Anbetracht ihrer nicht gerade überbordenden Ausbildung in Infektiologie, Public-Health oder Epidemiologie tatsächlich nur schwer über die Lippen kommt) - dass bei Omikron und den längst überfälligen Öffnungsschritten die Infektionszahlen (wohlgemerkt nicht die ERKANKUNGSZAHLEN) stark ansteigen, war absehbar. Ebenso absehbar war aber in Hinblick auf die Erfahrungen anderer Staaten, die schon wesentlich früher öffneten (oder gar nicht erst schlossen - siehe Schweden, das immer noch hinsichtlich der Todeszahlen gleichauf mit Österreich liegt, und das ganz ohne schwachsinnige Lockdowns, ohne Maskenpflicht, ohne Impfpflicht, ohne sämtliche Nicht-Corona-Patient*innen zu gefährden), dass sich das Infektionsgeschehen nur vernachlässigbar in den Krankenhäusern (und schon gar nicht in den Intensivstationen) niederschlägt. Man sollte auch - nachdem die Nutzlosigkeit der Massentesterei allein schon aus dem Vergleich Österreich - Deutschland hinreichend bewiesen ist (de facto gleiche Todeszahlen je 100.000 Einwohner bei einem Bruchteil an Testungen und damit Kosten – Deutschland hat bisher rund 113 Millionen Testungen gemacht bei rund 83 Millionen Einwohnern, Österreich hat (Stand gestern) bisher rund 164 Millionen Testungen absolviert – Deutschland also 1,36 Tests je Einwohner, Österreich 18,43 gemacht), endlich dem medizinisch sauber begründeten Rat von Herrn Univ. Prof. Dr. Günther Weiss (dieser ist im Gegensatz von Frau Reich tatsächlich Facharzt für innere Medizin mit dem Spezialgebiet Infektiologie) folgen, der schon seit Sommer 2020 davon abrät, Symptomlose zu testen! Aber diese Weisheit ist augenscheinlich für die Mitglieder der Ampelkommission zu hoch – da macht man lieber weiter mit unnötiger Panik und sinnlosen Maßnahmen. Würde sich das Gesundheitsministerium und hier wiederum Frau Reich endlich dem eigentlichen Gesundheitsproblem Österreichs – dem ÜBERGEWICHT weiter Bevölkerungskreise – im Sinne von echten, dringen nötigen Präventionsmaßnahmen zuwenden, könnte man deutlich mehr Leid vermeiden als SARS-COV-2 je verursachen hätte können, aber dann müsste man sich beim „ausgefressenen“ Durchschnittswähler*in unbeliebt machen indem man Maßhalten beim Essen und Trinken sowie deutlich mehr Bewegung einforderte.
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Klaus Duschek

... und nur so als Ergänzung der LINK zu einem Artikel der NZZ über die aktuelle Corona-Situation und den tagesaktuellen Inzidenzen ( https://www.nzz.ch/international/coronavirus-weltweit-die-neusten-entwicklungen-ld.1534367 ) - total interessant dabei Schweden (das nie wirklich Maßnahmen hatte) mit 268,2 und Österreich (mit all seinen Schwachsinnsmaßnahmen) 4900,1. Schon putzig, dass ein Land, das nur und ausschließlich auf die Vernunft seiner Mitbürger setzte (und dessen Regierung im Gegensatz zu Österreich immer die Rechtsordnung achtete) in der Inzidenz deutlich besser liegt (und bei den Toten je 100.000 Einwohner faktisch gleichauf).

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