Hofer erklärte, dass in der EU Fahrzeuge nicht nur für ein Mitgliedsland zugelassen werden. Es sei daher europarechtlich nicht umsetzbar, dass ein Land allein eine spezielle Zulassung vorgibt. Möglich seien jedoch aufgrund der Straßenverkehrsordnung (StVO) Fahrverbote. Demnach könnte an gefährlichen Kreuzungen differenziert werden, Fahrzeuge "mit totem Winkel" sollen dort nicht mehr abbiegen dürfen. Damit könnte man eine europarechtskonforme Lösung umsetzen, meinte der Minister.
Laut seinen Angaben gibt es derzeit "leider noch kein einziges Land", in dem der Abbiegeassistent rechtlich verpflichtend vorgesehen wäre. Es gebe lediglich ein Projekt in der City of London. Bis September 2022 sollen auf EU-Ebene auch die technischen Richtlinien für Abbiegeassistenten vorliegen: "Ich bin zuversichtlich, dass die Systeme bis dahin so sicher sein werden, dass sie auch funktionieren."
Die Enttäuschung der Initiatoren der Petition für die zwingende Einführung und Nachrüstung der Systeme konnte Hofer nicht nachvollziehen. Das Thema habe ihn sehr beschäftigt, auch kränke ihn Berichterstattung, wonach er für jedes Kind, das zu Schaden kommt, verantwortlich sein soll: "Wenn das so einfach wäre, hätten wir in irgendeinem Land bereits eine Verpflichtung." Die technische und europarechtskonforme Umsetzung werde kommen, bis dahin soll es zumindest Fahrverbote geben, meinte der Minister.
Doch solche "Lkw-seitige Maßnahmen wären vielfach wirkungsvoller als punktuelle Maßnahmen", sagte Ulrich Leth, Verkehrsplaner an der TU-Wien und Mit-Initiator einer privaten Petition am Mittwoch. Mehr als 70.000 Personen unterzeichneten diese, die nach dem Unfalltod eines Neunjährigen, der in Wien auf einem Schutzweg von einem Lkw-Fahrer übersehen worden war, eingeleitet wurde. Eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) soll Gemeinden ermöglichen, Abbiegeverbote für Lkw zu erlassen. Dadurch würde die Verantwortung auf Kommunen abgewälzt, kritisierte Leth.
Die Liste Jetzt (vormals Pilz) hat am Mittwoch angekündigt, eine parlamentarische Anfrage zum Thema Lkw-Abbiegeassistent an Verkehrsminister Hofer einzubringen. Die Abgeordneten Stephanie Cox und Peter Pilz wollen vom Ressortchef die "Hintergründe seiner unverständlichen Ablehnung" des Assistenzsystems geklärt wissen, wie es in einer Aussendung hieß.
Der Verkehrsminister "experimentiert ständig mit der Verkehrssicherheit in Österreich", sagte Pilz. "Ich fordere Hofer auf, es stattdessen London gleich zu tun und den Abbiegeassistenten für Lkw bis 2020 verbindlich einzubauen. Für jedes Kind, das aufgrund seiner Weigerung einem Lkw-Unfall zum Opfer fällt, trifft ihn ab jetzt die persönliche Verantwortung", wurde Pilz zitiert.
Die Gewerkschaft vida forderte unterdessen am Mittwoch den Einsatz von Beifahrern als Übergangslösung. Eine zweite ortskundige Person im Lkw soll Fahrer entlasten und die Straßenverkehrssicherheit in dicht verbauten Zentren anheben. "Diese BeifahrerInnen könnten im direkten Sichtkontakt den toten Winkel überblicken, wo hohe Unübersichtlichkeit an Kreuzungen gegeben ist", sagte Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida.
Die Wiener Wirtschaftskammer ist enttäuscht von den präsentierten Maßnahmen. "Ich habe die gestrigen Ergebnisse für wenig mutig gehalten", sagte Präsident Walter Ruck am Mittwoch. "Ich bin nicht sicher, ob da das letzte Wort gesprochen ist", zeigte er sich aber zuversichtlich. Die Wiener Wirtschaftskammer hatte sich im Vorfeld des Gipfels - im Gegensatz zur Bundeskammer - für eine gesetzliche Verpflichtung für Lkw-Abbiegeassistenten eingesetzt und gefordert, dass der Einbau der Systeme von der öffentlichen Hand gefördert wird.
Der Salzburger Baustadtrat Lukas Rößlhuber (NEOS) hat am Mittwoch ebenfalls angekündigt, die Nachrüstung der Lkw im Fuhrpark des städtischen Straßen- und Brückenamts mit Abbiege-Assistenten zu veranlassen. Das Ergebnis des gestrigen Sicherheitsgipfels zum Thema sei ihm zu wenig gewesen. Allerdings konnte er über die Kosten und den Zeitpunkt der Umrüstung heute noch keine Angaben machen.
In Niederösterreich werden die 380 Lastwagen im Landesdienst nicht mit Abbiegeassistenten nachgerüstet. "Bei Neubeschaffung von Lkw wird ein Assistenzsystem zukünftig verpflichtend vorgeschrieben sein", wurde seitens des Büros von Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) ein "NÖN"-Onlinebericht bestätigt. LHStv. Franz Schnabl (SPÖ) und die Grünen hatten sich für eine Nachrüstung ausgesprochen.
Niederösterreich werde die Lkw-Flotte des Landes sukzessive umrüsten, hieß es aus dem Büro des Mobilitätslandesrats. Eine Nachrüstung sei aber "zur Zeit nicht vorgesehen".