SN.AT / Panorama / Österreich

In "Spuck"-Affäre an Schule gerät Direktor unter Beschuss

Nach Rangelei zwischen Lehrer und Schüler hegt Volksanwalt den Verdacht auf Verletzung der Aufsichtspflicht. Der Direktor soll schon länger über unhaltbare Zustände informiert gewesen sein.

Der Konflikt in der HTL in Wien-Ottakring ist seit Wochen Gesprächsthema.
Der Konflikt in der HTL in Wien-Ottakring ist seit Wochen Gesprächsthema.

Die "Spuck"-Affäre an der HTL Ottakring könnte auch für den Direktor der Schule Konsequenzen haben. Volksanwalt Peter Fichtenbauer leitet ein amtswegiges Prüfverfahren wegen Verdachts auf grobe Verletzung der Aufsichtspflicht ein: Dabei wird vor allem untersucht, ob der Direktor seine Leitungsfunktion wahrgenommen hat.

"Liest man die Berichte über den Vorfall, scheinen bei allen Beteiligten die Sicherungen durchgebrannt zu sein", so der Volksanwalt. "Aufgeklärt werden muss, wie lange diese Zustände schon bekannt waren und ob und inwieweit es sich um eine Intrige der Schüler gegen den Lehrer handelt."

Im Internet kursierende Videos zeigen, wie ein Schüler den Lehrer offenbar provoziert und von diesem dann bespuckt wird. Der Jugendliche revanchiert sich darauf mit einem Stoß gegen die Tafel, bevor andere Schüler einschreiten. Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie sich ein Schüler während des Unterrichts eine Zigarette dreht und diese auch anzündet.

Kommission soll Vorfälle prüfen

Der überforderte Lehrer wurde von dieser Klasse abgezogen, der gewalttätige Jugendliche vom Unterricht suspendiert, sagte der Wiener Bildungsdirektor Heinrich Himmer am Montag. Derzeit befinde sich der HTL-Lehrer im Krankenstand, weshalb er zu den Vorfällen noch nicht befragt werden konnte. Er ist ein Quereinsteiger für den fachpraktischen Unterricht und war erst seit September im Dienst.

Himmer kündigte an, eine unabhängige Kommission soll die genauen Umstände des handgreiflichen Konflikts klären. Sowohl Bildungsministerium als auch Personalvertretung sollen Mitglieder entsenden. "Wir wollen gar nicht erst den Eindruck entstehen lassen, dass es um eine Reinwaschung geht oder eine interne Lösung, die nicht an die Oberfläche kommen soll", berichtete Himmer nach einem Besuch der Schule. "Das muss sich jemand ansehen, der neutral draufschauen kann." In spätestens zwei Wochen soll der Bericht fertig sein. Himmer betonte, der Direktor besitze sein volles Vertrauen.

Kritik an Vorgangsweise, keine Daten

Sein Vertrauensvorschuss steht im Gegensatz zu einer Internetinitiative, die sich am Wochenende formierte und die den Rücktritt des Direktors fordert - mehr als 11.000 Menschen folgen der Seite auf Facebook bereits. Sie sehen ein Fehlverhalten des Direktors, der über die Vorfälle Bescheid gewusst und nicht gehandelt haben soll.

Auch Bundesschulsprecher Timo Steyer ortet im APA-Gespräch eine zu langsame Reaktion der Schule auf den Schüler-Lehrer-Konflikt. "Wir haben von Freunden mitbekommen, dass es dort schon länger Brenzligkeiten gab. Wer auch immer der Verursacher ist - man hätte früher eingreifen müssen."

"Was muss noch alles passieren, damit die verantwortlichen Politker in Wien endlich aufwachen und wirksame Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen setzen?", fragt sich Barbara Fruhwürth vom Katholischen Familienverband. "Offenbar wurde, wie so oft bei diesem Thema, der Kopf in den Sand gesteckt und gehofft, dass sich das Problem löst. Diese Vogel-Strauß-Politik muss ein Ende haben.
Eine Ursache für die aktuelle Situation liegt für den Familienverband bei der Verharmlosung von öffentlicher Seite. "Wir sprechen hier nicht mehr von Einzelfällen, wie so oft kolportiert wird, sondern von einem massiven Problem, das immer weiter um sich greift", sagt Frühwirth. Es bedürfe der Unterstützung der Lehrkräfte in Form von zusätzlichem Supportpersonal, kostenlosen Anti-Gewalt-Schulungen, sinnvollen Sanktionsmöglichkeiten und kompetenten Anlaufstellen für Notfälle.

Im Bildungsministerium arbeiten Pädagogen, Psychologen und Juristen ebenfalls intensiv an einem Konzept, wie Mobbing und Gewalt an Schulen eingedämmt werden kann. Es gehe auch darum, inwieweit soziale Medien die Situation zusätzlich anheizen, sagt Martha Brinek, Sprecherin des Bildungsministeriums. Das Problem: Es gibt keine validen Daten, wie intensiv Schulleiter ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen und entsprechend Konsequenzen ziehen.

HTL Ottakring mit schlechtem Ruf

Wenig überrascht über die Vorfälle in der HTL Ottakring zeigte sich ein Wiener AHS-Lehrer, der anonym bleiben wollte. "Die Zustände dort sind ja bekannt. Es weht ein recht rauer Wind." Für den betroffenen Lehrer empfindet der Kollege nur Mitgefühl: "Normalerweise gehören alle Schüler, die da mitgemacht haben, rausgeworfen. Stattdessen wird nur einer suspendiert und der Lehrer muss die Schule wechseln. Die Feigheit ist enorm."

Quereinsteiger hätten ohnehin einen schweren Stand, sagt der AHS-Lehrer: "Zuerst werden sie umworben, dann aber dienstrechtlich wie der letzte Dreck behandelt. Sie haben schlechtere Verträge, sind jederzeit kündbar. Im Endeffekt sind sie Lückenbüßer, die voll qualifizierte Leute ersetzen."

Wissen allein ist zu wenig

Quereinsteiger, also Lehrer, die zuvor einen anderen Beruf ausübten und - ohne pädagogische Ausbildung - auf Grund ihres Fachwissens unterrichten dürfen, gibt es an Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS) häufig. Aber auch an AHS sind derlei Aushilfen keine Seltenheit mehr. "Vor allem in den Mangelfächern Mathematik, Informatik, Physik und Chemie", erklärt der AHS-Lehrer im SN-Gespräch. Doch der Frage nach der Eignung zum Unterrichten sollte sich schon ein Lehramtsstudierender stellen: "Man kann sich gewisse Dinge durch Erfahrung schon aneignen, aber wenn du persönliche Defizite hast, nervös und fahrig bist, dann ist man vielleicht nicht der Typ, um Lehrer zu werden."

KOMMENTARE (1)

Reinhart Smejkal

Derartige Schüler haben mE jedes weitere Recht auf einen weiteren Schulbesuch verwirkt und wären zusätzlich 'klassische' Beispiele für die Streichung der Familienbeihilfe.
Antworten