"Jede Falte erzählt eine Geschichte aus dem Leben." Beruhigt Sie diese Weisheit nicht so recht? Dann beherzigen Sie folgenden Spruch: "Alt werden ist der Sieg über die einzige Alternative: jung sterben."
Für den Alterungsprozess verantwortlich sind, so sagt man, zu 70 Prozent der Lebensstil und nur zu 30 Prozent die Gene. Wie wir alt werden, haben wir also großteils selbst in der Hand.
Doch so einfach ist das nicht in einer Welt, in der Anti-Aging-Cremes Verkaufsrenner sind und "Jungbrunnen"-Ratgeber Bestseller. Wie geht es uns mit dem Alterungsprozess, den man sieht, den Falten, den nicht mehr so ganz straffen Körperteilen, den grauen Haaren? Sechs Menschen, die das Thema privat oder beruflich beschäftigt, berichten über ihre Erfahrung und Einstellung zum Thema Älterwerden.
"Mit dem Älterwerden geht es mir gut, bin ja kein Einzelfall. Ich fühle mich mit diesem Thema nicht allein auf der Welt, auch wenn jeder Mensch anders damit umgeht. Wer in seiner Mitte ist, kommt meist besser mit dem Älterwerden zurecht. Wichtig sind Achtsamkeit und ein sorgsamer Umgang mit sich selbst. Ich war lange Zeit Fotomodell, da war die Optik im Vordergrund.
Ich finde es großartig, dass ich heute nicht mehr als Zierfisch oder Anstecknadel geholt werde, sondern wegen meiner Meinung! Humor ist beim Älterwerden total wichtig, Liebe übrigens auch. Viele Dinge sind nicht mehr so wichtig, everybody's darling will man auch nicht mehr sein. Ich sage, was ich denke. Im Alter hat man eine ganz andere Sicht auf Dinge und auf sich selbst, man sieht sich nicht mehr als Mittelpunkt der Welt. Ein großer Vorteil, den ich jungen Menschen gegenüber habe, ist, dass ich weiß, wie es ist, jung zu sein. Die Jungen wissen aber nicht, wie es ist, alt zu sein.
Alte Menschen mochte ich immer schon gern, sie haben etwas zu erzählen. Selbst kann ich mich nicht beklagen, ich fühle mich privilegiert, weil ich mit meinen 78 Jahren noch immer arbeiten kann. Ich glaube, dass gebraucht zu werden ein Menschenrecht ist. Man kann sich aber auch gebraucht machen, das betrifft gerade ältere Menschen. Jeder hat hier Eigenverantwortung.
Für mich ist Italien ein großes Vorbild: ,Che Bella!' sagt man dort auch zu älteren Frauen, es gibt einfach eine andere Bindung zur Mama und zu Frauen generell. Bei uns ist das anders. ,Alt', das steht für tote Dinge: Bilder, Autos, Schmuck, Teppiche. Was den Wert der Gegenstände betrifft, ist das sehr wohl etwas Positives, nicht aber in Bezug auf Menschen.
In Afrika wird der älteste Mann, das Oberhaupt, um Rat gefragt. Wenn bei uns jemand in Pension geht, kümmert sich kaum jemand mehr um ihn, das finde ich ungezogen! Menschen, die mich ein Leben lang begleitet haben, lasse ich nicht fallen, auch nicht wenn sie in Pension sind! Doch in unserer Wirtschaftswelt heißt es: Der bringt mir nichts mehr. Dazu kommt: Das 60 von vor 50 Jahren ist nicht mehr das 60 von heute. Das gehört mal geändert. Menschen mit 60 sollen nicht in Pension gehen müssen …
Der richtige Umgang mit dem Älterwerden beginnt schon in der Jugend und in der Familie. Wenn man Mädchen nicht zu selbstbewussten Menschen erzieht, werden sie sich später nicht zur Wehr setzen können, sie werden sich vom Leben nicht nehmen, was ihnen selbstverständlich zusteht. Das ist auch im Alter wichtig.
Bei uns ist der Jugendwahn nicht so extrem wie etwa in Hollywood, das finde ich gut, auch wenn die Schönheitschirurgie boomt. Doch jede Frau soll machen, was sie will. Den Schmelz der jugendlichen Haut bekommt man ohnehin nicht zurück. Zum Glück bekleiden bei uns Frauen wie Senta Berger, Christiane Hörbiger oder Adele Neuhauser wichtige Vorbildfunktionen. Dass Männer sich im Alter jüngere Frauen suchen, erachte ich mehr als Klischee denn als Wahrheit. Wenn aber Frauen in meinem Alter sich jüngere Männer erlauben, ist auch bei uns immer alles ein bisschen wie in Hollywood.
Ich bin gern so alt wie ich gerade bin. Und nein, noch einmal jung sein und die ganze Nummer ein zweites Mal abziehen, danke! Da waren Fehler dabei, die ich nicht wieder machen würde."
Aktuell arbeitet Chris Lohner an einem neuen Programm rund um ihr Buch "Ich bin ein Kind der Stadt".
"Die Gendermedizin erforscht, wie sich Krankheiten bei Geschlechtern auswirken, und das ist oft unterschiedlich. Herzkrankheiten haben Frauen und Männer gleichermaßen, aber Frauen leiden häufiger unter Schlaganfällen, was lang bagatellisiert wurde. Depressionen treten im Alter häufiger auf, stärker bei älteren Frauen. Krebs trifft hingegen häufiger Männer. Was das Älterwerden betrifft, so ist der markanteste Unterschied zwischen Männern und Frauen, dass Frauen länger leben. Das bedeutet leider auch längeres Siechtum, und das ist nicht, was sich Frauen und die Gesellschaft wünschen!
Ziel und Wunsch meiner Patientinnen ist es, selbstbestimmt so lang wie möglich zu Hause leben zu können. Das würde bedeuten, die Zeit der Abhängigkeit und Pflegebedürftigkeit zu verkürzen. Menschen, die ins Altersheim kommen, haben oft nur banale und im Alter unausweichliche Beschwerden, sehen oder hören schlecht, Gelenksprobleme, Inkontinenz, oft mehreres zugleich. Gegen das meiste könnte man rechtzeitig vorbeugend etwas tun.
Man weiß mittlerweile, dass Armut und wenig Schulbildung massive Gesundheitsprobleme nach sich ziehen können. In den USA liegen Zahlen vor, wonach ärmere Menschen in verstärktem Ausmaß adipös sind. Es ist daher wichtig, Gesundheitsinformationen so aufzubereiten, dass jeder sie versteht und verwenden kann. Unser Gesundheitssystem ist auf ,Reparatur' aus, vorbeugend für Gesundheit zahlen wollen die Wenigsten, nach dem Motto: ,Was wir selbst zahlen müssen, brauchen wir nicht.' Es bräuchte hier mehr Selbstverantwortung, damit man lang gesund und fit bleibt. Wobei sich gesundheitliche Probleme ab einem gewissen Alter nicht vermeiden lassen. Wer versucht, seine persönlichen Risikofaktoren rechtzeitig zu erkennen, diese zu minimieren und halbwegs vernünftig zu leben, sich gut zu ernähren und zu bewegen, nicht zu rauchen und Alkohol nur in Maßen zu trinken, ist auf einem guten Weg in ein hohes Alter."
"Wir haben Angst vor dem Älterwerden und setzen alle Kräfte und Mittel ein, um es zu vermeiden. Doch je mehr wir uns dagegenstemmen, desto schlimmer wird es. Dazu kommt der Trend, dass gerade im Beruf dynamisch und erfolgreich zu sein mit Jungsein assoziiert wird. Altwerden hat in unserer Gesellschaft keine Bedeutung. Schauen Sie sich um, aktuell haben wir keine alten Politiker oder Firmenchefs. Vor einigen Jahrzehnten musste man 50 werden, um eine höhere Position zu bekommen, heute bist du in diesem Alter schon fast wieder weg. Ich glaube aber, dass junge Menschen Seniorität wertschätzen und sehr wohl ältere Kolleginnen und Kollegen um sich haben wollen. Ich erlebe selbst junge Ärzte, die froh über die Meinung von uns ,Alten' sind, mit denen man in der Regel nicht im Wettbewerb steht.
Bei Frauen besteht das Problem oft darin, dass sie sich vor lauter Selbstoptimierung geißeln. Weniger aus beruflichen Gründen, sondern weil sie ihre Weiblichkeit stärker über Körperlichkeit assoziieren - Männer definieren sich über Macht und laute Stimme. Das Altern ist bei Frauen sicher schwieriger, zumal der körperliche Alterungsprozess früher einsetzt. Ein Mann mit 50 hat meist noch glatte und straffe Haut, Frauen neigen aus genetischen Gründen zu weicherem Gewebe. Umso mehr müssen Frauen daran arbeiten, das zu akzeptieren. Gefallen hat mir, als die Schauspielerin Kate Winslet verkündete, sie wolle keine retuschierten Fotos mehr von sich sehen.
Da zeigt sich also auch ein Gegentrend zu dem, was aktuell auf Instagram passiert, wo perfekte Bilder für viele Frauen und Männer nicht Erreichbares präsentieren: Ich glaube, dass durch die vielen Babyboomer das Älterwerden positiver gesehen wird, und damit auch die Vorteile, die das Ältersein bringt. Ich habe drei Kinder, wenn ich jetzt einen lässigen Hoodie mit coolem Aufdruck anziehe, macht mich das vielleicht jünger, aber es schämen sich genau drei Kinder. Älterwerden sollte man zelebrieren und vor allem anerkennen, was man erreicht hat. Man verspürt mehr Toleranz, steht über vielen Dingen und tut sich leichter, Perspektiven zu wechseln. Das hilft auch den Jüngeren, wenn jemand da ist, der Ruhe ausstrahlt!
Mir persönlich geht es mit dem Älterwerden sehr gut, ich arbeite auch daran. Gewisse Dinge werden stärker, andere wiederum schwächer. Von selbst ändert sich nichts, man ist immer in Beziehung mit sich. Die muss man pflegen wie eine Beziehung zu einem anderen Menschen. Vor allem muss man schauen, dass man aus allem etwas Positives herausholt."
"Meine Wahrnehmung ist, dass Menschen, die sich selbst spüren und mögen, es mit dem Älterwerden leichter haben. Oft sind es Kinder und Jugendliche, die uns mitreißen und uns jung bleiben lassen. Älter werden hat sich ja stark verändert, ältere Menschen haben heute viel mehr Möglichkeiten, sich fit zu halten. Im Gegensatz zu früher beschäftigen sich ältere Menschen heute mehr mit sich, betreiben Sport, stehen im Beruf.
Eine Begleiterscheinung des Älterwerdens sind natürlich die grauen Haare. Es gibt jedoch gute Möglichkeiten, graues Haar abzuschwächen, mit Strähnchen oder sanften Tönungen, die das Grau leicht durchschimmern lassen. Dadurch wirkt auch der Teint frischer und mit etwas Lippenstift und Augen- Make-up lässt sich ein Strahlen ins Gesicht zaubern.
Wie es mir mit dem Thema geht? Ein bekannter Salzburger und Kunde von uns hat vor vielen Jahren einmal auf meine Frage, wie er seine Haare gern hätte, ein Foto von sich gezeigt, auf dem er 40 Jahre jünger war. Daran muss ich oft denken. Der Geist altert halt nicht so schnell wie der Körper, im Kopf bleiben die meisten jung. Mit Gefühl und Leichtigkeit, einer positiven Einstellung und vor allem mit Humor bleiben Geist und Körper jung."
"Altern ist ein vielschichtiges Thema, es gibt nicht nur den einen Grund, warum wir uns damit schwertun. Da gibt es einmal das alterslose Selbst. Das Ich, unser Inneres, ist zeitlos, man könnte auch sagen, die Seele altert nicht. Der Körper tut das jedoch, gerade bei Frauen wird das Gewebe schwächer, wir bekommen Falten. In der Regel fühlen sich Menschen zehn oder 15 Jahre jünger, als sie sind. Umso mehr erfreuen Komplimente wie ,du siehst aber jung aus!', weil das mit dem eigenen Lebensgefühl zusammenpasst. Nicht zuletzt deshalb weigert man sich in der Regel, sich mit den Fragen des Älterwerdens auseinanderzusetzen, nach dem Motto: ,Es ist noch nicht so weit!' Auch von über 80-Jährigen höre ich das oft. Dazu fehlen uns positive Altersbilder, auch unsere Sprache erschwert das: Alles, was man gemeinhin positiv im Zusammenhang mit älteren Menschen sieht, bringt man mit dem Begriff ,jung' in Verbindung.
Es stellt sich auch die Frage, wie man sich selbst definiert - über Schönheit, Jugendlichkeit, sexuelle Attraktivität oder über Reife und Entwicklung? Menschen, die zu Letzterem fähig sind, wird die Auseinandersetzung mit dem Älterwerden leichter fallen. Wenn ich als Frau von klein auf geprägt wurde, hübsch zu sein, wird das Älterwerden mehr schmerzen. Was uns beim Altwerden am schwersten fällt, ist die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit. Ich erlebe immer wieder, auch bei mir selbst, diese staunenden Blicke zurück darüber, dass die Zeit einfach enorm schnell vergangen ist. Irgendwann wird sie dann knapp und man fragt sich: Geht sich noch alles aus, was ich erleben möchte? Bestimmte Träume werde ich mir nicht mehr erfüllen können! Es ist daher wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Konsequenz dieser Endlichkeit jederzeit eintreten kann, auch mit 40. Endlichkeit ist im Leben präsent, und zwar ständig. Wir verdrängen das nur gern.
Für das Altwerden wäre wichtig, bewusst hinzublicken, welche Aufgabe diese neue Lebensphase für einen hat, wenn es nicht mehr um Äußerlichkeiten geht. Jeder trägt sein persönliches Leben ins Älterwerden. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch. Altern ist so vielfältig wie die Menschen es sind. Doch das Wie hat man großteils selbst in der Hand."
"Zum Thema Alter und Schönheit kann ich sagen, dass es kein striktes ,Ablaufdatum' mehr gibt. Das ist eine positive Entwicklung. Gegenwärtig setzt man mehr auf das Gesamtbild, wenn ein Model will, kann eine Karriere mit
20 Jahren beginnen und mit 70 aufhören. Für Kunden und für Fotografen sind Spektrum und Inspiration breiter geworden. Ob dieser Trend aus neuen Zielgruppen und/oder aus neuen Identifikationen kommt oder eher eine parallele zeitgemäße Entwicklung darstellt, ist eine komplexe soziale Frage. Was unsere Branche betrifft, so versuchen gute Castings und mutige Artdirektoren heute immer mehr, Models nicht nach Klischees auszuwählen. Passende Models gibt es, es ist nur eine Frage der Wahl.
Wenn es um die Frage nach einer Definition von Schönheit geht, so spielt für mich Ästhetik eine große Rolle, und zwar altersunabhängig. Nicht jede Falte ist schön, aber auch ein glattes junges Gesicht kann zu wenig ausdrücken. Die Gesellschaft ist offener geworden, wir als Frauen sollten selbst entscheiden, ob und wie wir sichtbarer werden wollen. Plastische Chirurgie ist oft eine Hilfe, auch eine Unterstützung in psychologischer Hinsicht, die man - mit viel Vorsicht - annehmen kann. Ich persönlich lebe als Frau, Mutter und Agentin ein aktives Leben, im Kontakt mit allen Generationen, wobei die Jugend eine immense Kraft hat, da sie mutig ist und uns immer Neues zeigt und vorlebt. Als meist Ältere in der Runde kann ich meine Erfahrungen anbieten, in einem offenen Austausch. Stress kommt meistens aus Unsicherheiten, davor schützt auch das Alter nicht."