Die Forscher der Universitäten Bonn, Erfurt und Wien sowie Kollegen aus Hamburg befragten zwischen Dezember 2021 und Juli 2022 insgesamt 3.367 Geimpfte und 2.038 Ungeimpfte mehrfach. Für das Team ist der Datensatz "einzigartig", obwohl die Teilnehmerstruktur für Österreich und Deutschland nicht repräsentativ war.
In beiden Ländern wurden allerdings Informationen direkt während "hitziger öffentlicher Debatten über den Wert von Impfungen und unterschiedliche Impfrichtlinien und -vorschriften" erhoben, schreiben die Wissenschafter in ihrer Arbeit. Tatsächlich hat sich die Diskussion um den Sinn der Covid-19-Impfungen in dem Zeitraum merklich verschärft. In Österreich war und ist vor allem die um den Jahreswechsel angekündigte und letztlich nie umgesetzte Impfpflicht einer der gesellschaftlichen Spaltpilze schlechthin.
Ein weiteres Unikum in den Daten des online durchgeführten "COSMO Panels" sei der hohe Anteil an nicht-geimpften Personen, so das Forschungsteam. Besonders greifbar wurden die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen dann, wenn die Aussagen von Personen verglichen wurden, die angaben, dass sie sich stark mit ihrem Impfstatus identifizieren. Darin sehen die Wissenschafter "eine entscheidende Rolle in der Polarisierung", so Luca Henkel von der Uni Bonn am Donnerstag in einer Aussendung.
Das offenbarte sich auch in einem an die Umfrage angeschlossenen Experiment, in dem die Teilnehmer dazu angehalten waren, 100 Euro auf sich und eine weitere Person aufzuteilen. "Sowohl Geimpfte als auch Ungeimpfte haben Personen mit anderem Impfstatus benachteiligt, und zwar umso stärker, je mehr man sich mit dem Impfstatus identifizierte", erläuterte der Psychologe Robert Böhm von der Uni Wien. Die Umfrage zeigte, dass Ungeimpfte die Impfdebatte als besonders unfair und sich als sozial ausgegrenzter erleben.
Auch für die Empfänglichkeit für Maßnahmen zur Steigerung der Impfquoten entpuppte sich die Identifikation mit dem Impfstatus als wichtigster Faktor: Wer sich stark mit seiner Entscheidung gegen die Impfung verbunden sah, lehnte auch die Impfpflicht besonders stark ab. Insgesamt zeige sich hier, wie eine persönliche Entscheidung zu einem wichtigen Teil des Selbstkonzepts werden kann und "dem Impfstatus ein Wert an sich zugeschrieben wird", so die Wissenschafter.
Bei Kampagnen zur Steigerung der Impfbereitschaft sollte dementsprechend z.B. emotionalere Argumentation vermieden werden. Mehr Sinn mache eher, die Impfung als einfache Maßnahme zur Senkung des Risikos hervorzuheben. Mehr Augenmerk sollte auf deeskalierende Strategien und wertschätzenden gegenseitigen Umgang gelegt werden.