So zeigt sich kurz vor dem neuen Jahr eine zu über zwei Dritteln geimpfte Bevölkerung in reichen Ländern und eine Impfquote von unter zehn Prozent in armen Ländern, die Quote für Afrika beträgt gerade einmal neun Prozent. Vor allem auf diesem Kontinent werden Dutzende Länder das WHO-Ziel von 40 Prozent Coronageimpften bis Ende dieses Jahres verfehlen, die im Sommer ausgegeben worden ist.
"Pauschale Booster-Impfkampagnen verlängern die Pandemie eher, als sie zu beenden", warnt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Aktuell steckt die Welt derzeit weiter in der Dauerschleife Infektionswelle, Restriktionen und Lockerungen. "Wir haben einen sehr harten Winter vor uns", warnte der WHO-Chef unlängst.
Viele Gesundheitsexperten heben jedoch hervor, dass die Welt der Coronapandemie mittlerweile nicht mehr machtlos ausgeliefert sei. "Wir haben die Werkzeuge, um sie in die Knie zu zwingen", sagte die mit der Bekämpfung von Corona beauftragte WHO-Vertreterin Maria Van Kerkhove im Dezember. Wenn diese Werkzeuge richtig eingesetzt würden, könne die Menschheit der Seuche "2022 ein Ende bereiten".
Ein Lichtblick sind die seit einem Jahr eingesetzten Coronaimpfstoffe. Sie haben bewiesen, dass sie vor schweren Formen von Covid-19 schützen - und das auch bei den derzeit vorherrschenden Virusvarianten Delta und Omikron. Binnen eines Jahres wurden 8,5 Milliarden Corona-Impfdosen auf der Welt verabreicht. Bis Mitte kommenden Jahres dürfte die weltweite Produktion der Vakzine einen Umfang von 24 Milliarden Dosen erreichen - genug, um die gesamte Weltbevölkerung gegen Corona zu impfen.
Aber während einige Länder schon mit Boosterimpfungen und der Impfung von Kindern begonnen haben, sind in anderen Ländern noch nicht einmal das medizinische Personal und die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen vollständig geimpft. Doch wenn das Virus zirkuliert, und sei es auch in fernen Ländern, kann es mutieren und sich in noch ansteckenderen und gefährlicheren Varianten ausbreiten. Ein Beweis dafür sei die Omikron-Variante, die Ende November im südlichen Afrika erstmals nachgewiesen wurde, sagt der WHO-Notfallbeauftragte Michael Ryan. Das Coronavirus habe in einer Region mit niedriger Impfquote "die Gelegenheit ergriffen, sich weiterzuentwickeln".
Die reichen Länder offenbarten "Kurzsichtigkeit mit der Annahme, dass es sie von dem Problem befreit, wenn sie sich selbst impfen", sagt der Biologieprofessor Gautam Menon von der Universität von Ashoka in Indien.
Und auch wenn erste Studien darauf hindeuten, dass die Krankheitssymptome bei Omikron schwächer ausfallen, bleiben Experten vorsichtig. Schließlich birgt die massive Ausbreitung dieser Coronavariante wiederum die Gefahr gefährlicher Virusmutationen und überlasteter Krankenhäuser.
Bereits 2021 gab es in aller Welt immer wieder überfüllte Krankenhausflure. In Ländern wie Brasilien oder Indonesien suchten Menschen verzweifelt nach Sauerstoffflaschen für ihre um Atem ringenden Angehörigen. Die riesigen Scheiterhaufen für die vielen Covidopfer in Indien waren ein Sinnbild für die enorme Opferzahl: Offiziell starben bereits mehr als 5,4 Millionen Menschen weltweit nach einer Coronainfektion, aber laut WHO vielleicht auch zwei oder drei Mal so viele.
Experten wie der Epidemiologe Andrew Noymer von der University of California gehen davon aus, dass Covid-19 in absehbarer Zeit ähnlich alltäglich, aber auch beherrschbar sein wird wie die Grippe. Zu den Zukunftsszenarien der WHO zählt allerdings auch eine Coronapandemie, die wegen immer gefährlicherer Mutationen außer Kontrolle gerät.
Auch wenn es so schlimm nicht kommen muss, antwortet WHO-Chef Ghebreyesus auf die Frage, wie gut wir für die Coronapandemie gerüstet sind, schlicht: "Immer noch nicht bereit."