Obwohl die meisten Menschen eine solche Erkrankung gut überstehen, führen RSV-Infektionen weltweit jährlich zu rund 60.000 Todesfällen bei Kindern unter fünf Jahren. Die Hälfte der Opfer ist jünger als sechs Monate. "Nimmt man die Fälle nicht ins Spital aufgenommener und hospitalisierter Kinder zusammen, kommt man auf 118.200 Todesfälle - die meisten davon in ärmeren Ländern", hieß es kurz vor Jahreswechsel im Fachjournal der American Medical Association (AMA/JAMA). Der zweite Gipfel bei den Erkrankungsraten liegt bei den Senioren: Allein in den USA sterben jährlich rund 14.000 über 65-Jährige an RSV-Infektionen, es kommt zu 177.000 Spitalsaufnahmen. Besonders immunschwache Menschen und Personen mit schweren Grunderkrankungen sind gefährdet.
Seit den 1990er-Jahren gibt es Möglichkeiten, RSV-Infektionen mit schweren Krankheitsfolgen zumindest bei Hochrisiko-Neugeborenen bzw. Babys zu verhindern: durch die monatliche Gabe des monoklonalen Antikörpers Palivizumab. Jetzt könnte der Schutz Neugeborener einfacher werden. Vergangene Woche (3. März) ist im "New England Journal of Medicine" eine groß angelegte Wirksamkeitsstudie mit 1490 Neugeborenen erschienen. Zwei Drittel (994 Kinder) der ab der 35. Schwangerschaftswoche zur Welt gekommenen Babys erhielten eine Dosis des monoklonalen Antikörpers Nirsevimab, der am Fusionsprotein von RSV bindet und die Viren damit unschädlich macht. 496 der Neugeborenen bekamen ein Placebo.
"Eine behandlungsbedürftige RSV-Infektion der unteren Atemwege wurde bei zwölf der Babys (1,2 Prozent) in der Nirsevimab-Gruppe registriert, hingegen bei 25 der Kinder in der Placebogruppe (fünf Prozent). Das bedeutet eine Wirksamkeit von 74,5 Prozent", schrieben Laura Hammitt (Johns Hopkins University/Baltimore) und ihre Co-Autoren. In der Verhinderung von Spitalsaufnahmen durch die monoklonalen Antikörper zeigte sich mit einer Häufigkeit von 0,6 Prozent bzw. 1,6 Prozent (Placebo) eine Schutzwirkung von 62,1 Prozent. Der Beobachtungszeitraum betrug 150 Tage. Nirsevimab zeichnet sich vor allem durch eine längere Halbwertszeit als Palivizumab aus und schützt offenbar über eine Wintersaison hinweg. Der monoklonale Antikörper wurde von AstraZeneca, Sanofi und dem Biotechunternehmen MedImmune entwickelt.
Doch die passive Impfung mit den monoklonalen Antikörpern ist nur eine Möglichkeit. Sinnvoller wäre offenbar die aktive Impfung. Auf diesem Gebiet erhielt der US-Pharmakonzern Pfizer vor Kurzem von der US-Arzneimittelbehörde die Genehmigung eines vorrangigen Zulassungsverfahrens für ein Kandidat-Vakzin gegen RSV. Der Impfstoff soll in Zukunft Schwangeren verabreicht werden, welche über die von ihnen als Reaktion produzierten Antikörper dann die Babys schützen. Pfizer berichtete von einer positiv abgelaufenen klinischen Studie mit gesunden Schwangeren im Alter zwischen 18 und 49 Jahren, welche Sicherheit und Immunogenität des RSVpreF-Vakzins belegt hätten. Der Konzern führt aber derzeit auch eine riesige klinische Studie mit 30.0000 Probanden über 60 Jahre durch, um Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs in dieser Altersgruppe zu untersuchen. Auch andere Pharmakonzerne sind auf diesem Gebiet tätig.
Der Entwicklung solcher RSV-Impfstoffe gingen viele Jahre intensiver Forschungen voran. Bei der Suche nach dem Protein, das als Antigen für RSV-Impfstoffe dienen könnte, wurde vor einigen Jahren das RSV-Fusionsprotein (F) identifiziert, welches das Verschmelzen von Virushülle mit der Zellmembran bei der Infektion vermittelt. Im Jahr 2000 stieß man bei elektronenmikroskopischen Studien auf ein interessantes Detail: RSV-F existiert in zwei Formen, in einer Struktur vor der Fusion und einer anderen Struktur nach der Fusion.
"Das Protein verändert sich und faltet sich neu. Während das erfolgt, kommt es zum Verschmelzen von Virus und Zellmembran", sagte dazu Jason McLellan, Strukturbiologe der Universität Austin (Texas/USA) in einem Gespräch mit "Science". Spanische Wissenschafter bewiesen schließlich, dass das Prä-Fusionsprotein von RSV am besten geeignet ist. In dem Pfizer-Kandidat-Vakzin sind RSV-Prä-Fusionsproteine für zwei RS-Virusvarianten enthalten.
Die Suche nach einem wirksamen RSV-Impfstoff war viele Jahre lang erfolglos gewesen. Katastrophale Ereignisse mit einem Kandidat-Vakzin hatte es im Jahr 1965 gegeben. Damals bekamen 31 Babys im Rahmen einer Studie der US-Gesundheitsinstitute (NIH) ein Hitze- und Formalin-inaktiviertes Totimpfstoff-Vakzin. Doch 23 der Kinder im Alter zwischen zwei bis sieben Monaten wurden trotzdem infiziert, 18 mussten ins Spital. Zwei der Kinder starben. In einer Kontrollgruppe gab es nur einen Infektionsfall. Schließlich stellte sich heraus, dass die Impfung mit dem Ganzvirus-Totvakzin die Kinder offenbar empfindlicher für die RS-Viren gemacht hatte. Die Hitze- und Formalin-Inaktivierung führte offenbar zu einer Umgestaltung des F-Eiweißes in die Post-Fusions-Gestalt. Ein immunologischer Schutz trat nicht ein, gleichzeitig führte die Impfung zu besonders schweren Krankheitsverläufen. Durch die Verwendung von Prä-Fusionsproteinen in den neuen Vakzinen ist das ausgeschlossen.