Zynische Zungen behaupten, die Menschheit werde immer dümmer. Sie plädieren in Ihrem neuen Buch dafür, sich Klugheit "anzuessen". Wie funktioniert das? Manuela Macedonia: Es gibt Lebensmittel, die unser Gehirn stimulieren. Viele Menschen wissen nicht, dass im Darm ein Großteil des Gehirns sitzt. Im Darm bilden sich Botenstoffe, die für unsere Psyche wichtig sind, zum Beispiel das Glückshormon Serotonin. Das entsteht aber nur dann, wenn die Zellen, die es produzieren, ein Signal von Bakterien bekommen, die im Darm leben. Und diese ernähren sich zum Beispiel von Ballaststoffen. Solche Ballaststoffe sind etwa in Getreide enthalten, das noch nicht stark verarbeitet ist.
Durch welche Nahrungsmittel kann man dem Gehirn noch Gutes tun? Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend. Sie sind etwa in Fischöl enthalten, das zum Teil aus Fischfleisch gewonnen wird. Fische brauchen das Fett, um auch in kalten Gewässern wendig zu bleiben. Das Fett verhindert also, dass Gewebe und Blut zufrieren. Daher verwundert es nicht, dass diese Fettsäuren auch unser Gewebe elastisch und Zellwände flexibel halten. Es ist auch ein gutes Mittel gegen Zellalterung.
Ich plädiere immer für Lebensmittel des Hausverstands. Von Diäten halte ich eigentlich nicht viel, weil sie häufig zu einer unausgewogenen Ernährung führen. Aber die Mittelmeerdiät bringt viele Vorteile für den Körper. Dabei isst man viel frisches Gemüse, Fisch und vor allem gute Fette wie zum Beispiel gutes Olivenöl. Fette tierischen Ursprungs werden nur sparsam eingesetzt.
Im Gegensatz zur "westlichen Diät", wie Sie es nennen, wenn zu viel verarbeitete Lebensmittel, zu viel Fett und Zucker konsumiert werden. Welche Folgen kann das für unser Gehirn haben? In vielen Industrielebensmitteln sind Transfette enthalten. Sie können Ablagerungen in den Gehirngefäßen hinterlassen. Und sie verursachen Entzündungen. Das spüren wir zunächst nicht. Aber sie verändern unser Gewebe im ganzen Körper und dadurch auch im Gehirn. Das Ergebnis: Die Netzwerke unter Neuronen in unserem Gehirn funktionieren nicht mehr so gut, wir werden weniger leistungsfähig.
Das zeigen auch schon Studien an Kindern. Sie bringen weniger gute Leistungen in der Schule, wenn sie viele Industrielebensmittel zu sich nehmen. Ja, man sollte eben in allen Phasen des Lebens auf eine ausgewogene Ernährung achten. Und eigentlich beginnt das schon bei unseren Eltern, also bereits vor unserer Geburt. Viele von uns sind mit der Idee groß geworden, dass das Kind im Mutterleib geschützt ist vor äußeren Einflüssen. Aber so ist es nicht.
Wenn sich die Mutter mit der "westlichen Diät" ernährt, dann schreibt sich das in die Gene des ungeborenen Kindes ein und erhöht die Gefahr, dass das Kind später psychische Störungen hat, wie zum Beispiel ADHS, also eine Aufmerksamkeitsstörung. Das Essen wirkt sich auf unsere Gene aus, die wir weitergeben.
Auch auf den Geschmack des Kindes hat die Ernährung der Mutter einen Einfluss. Wenn Schwangere etwa Karottensaft trinken, wird das Baby später Karottenbrei eher nicht ablehnen, zeigen Studien. Wie entsteht Geschmack? Ab dem fünften Schwangerschaftsmonat schluckt das Kind Fruchtwasser. Die Geschmacksknospen auf der Zunge und die Geschmackszellen im Gaumen übertragen Signale an das Gehirn, das bereits Muster von Geschmack aufbaut. Deswegen funktioniert das tatsächlich mit Karottensaft. Die Geschmacksprägung oder die Vorliebe für das eine oder andere Lebensmittel entsteht daher schon im Mutterleib.
Warum springen aber fast alle Kinder stark auf Süßigkeiten an? Nicht alle werdenden Mütter werden sich vorwiegend von Süßem ernährt haben. Die Vorliebe für Süßes ist evolutionär bedingt. Sie ist aber auch ein erlerntes Verhalten: Zucker ist in ganz vielen Lebensmitteln versteckt enthalten und das prägt den kindlichen Geschmack. Hinzu kommt, dass Kinder Werbung ausgesetzt sind. Auch Belohnungen sind häufig Süßigkeiten und fast jede Feierlichkeit - Geburtstage, Ostern, Weihnachten - verbinden Kinder mit Süßem. Das Kind verinnerlicht, dass alles Positive süß ist.

Sie sprechen im Buch von den "hedonistischen Hotspots" im Gehirn - jene Regionen, die auf Lustvolles ansprechen, aber eben auch auf Schokolade oder Chips. Wie kann man sie austricksen? Man kann sie leider nicht austricksen, sie sind Teil des Belohnungssystems. Und das brauchen wir, um Motivation im Leben zu haben. Das Belohnungssystem basiert auf den beiden Säulen Ernährung und Reproduktion. Wenn wir essen, schütten wir den Botenstoff Dopamin aus, wir genießen. Das ist auch beim Sex so. Wenn wir einen Menschen sehen, der für eine mögliche Paarung infrage kommt, schütten wir ebenfalls Dopamin aus. Aber eben leider auch, wenn wir Alkohol trinken, rauchen oder andere Drogen zu uns nehmen.
Kann sich Zucker auch wie eine Droge auswirken? Tierexperimente weisen in diese Richtung. Erst im vergangenen Jahr zeigte eine Studie, dass Ratten in Experimenten Zucker sogar Kokain vorziehen. Forscher vermuten, dass bei zu viel Zucker dopaminproduzierende Regionen des Gehirns daran gewöhnt werden und weniger Glücksbotenstoff produzieren. Mit dem Resultat, dass sich die Lust auf Süßes wie Suchtverhalten manifestiert: Man muss mehr zu sich nehmen, um den gleichen Effekt zu erzielen. Für das Gehirn von Kindern und Jugendlichen ist der Zuckerkonsum eine echte Gefahr. Ich löse es für mich so, dass ich diese Lebensmittel gar nicht erst kaufe. Was nicht da ist, kann nicht gegessen werden.
Manuela Macedonia: Iss dich klug! Und dein Gehirn freut sich. 208 S., 24,00 Euro, Ecowin Verlag 2021.