Obwexer verwies auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom September 2018. Demnach verfügen die Kollektivvertragsparteien - im Rahmen ihrer Tarifautomonie - zwar über ein weites Ermessen. Aber sie müssen das Unionsrecht beachten. Und die Mitgliedsstaaten seien verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Bestimmungen für nichtig erklärt oder geändert werden, erläuterte Obwexer das EuGH-Urteil.
Wenn der österreichische Gesetzgeber nun vorschreibe, dass die gleichheitswidrige alte Regelung - mit dem Karfreitags-Feiertag nur für Evangelische und Altkatholiken - nicht mehr angewendet werden darf, komme er seiner unionsrechtlichen Verpflichtung nach. Aber er greife nicht unverhältnismäßig ein in das Grundrecht, Kollektivverträge zu verhandeln, befand Obwexer.
Der Arbeitsrechtler Franz Marhold von der Wiener Wirtschaftsuniversität sah dies am Mittwoch - mit Hinweis auf EuGH-Urteile zu Türkei und Deutschland - anders: Die Sonderregelungen in den Kollektivverträgen müssten zwar geändert werden. Dies müssten aber die Kollektivvertragspartner - also Gewerkschaft und Wirtschaftskammer - vornehmen. Erst wenn sie scheitern, sei ein Gesetz zulässig.
"Ich habe vor, für evangelische Arbeitnehmer direkt an den VfGH heranzutreten", sagte der Kärntner Anwalt Sommer. Er bereitet den sogenannten Individualantrag vor und braucht noch Evangelischgläubige, die sich zur Verfügung stellen. "Ich glaube das wird schnell gehen. Bis zum Einbringen ist es eine Frage von Wochen", sagte Sommer. "Sobald das Gesetz da ist, wird es bekämpft." Schließlich könne man mit dem Individualantrag "die neue gesetzliche Regelung, wonach der Karfreitag für Evangelische - wie auch mich - kein Feiertag mehr sein soll, zu Fall bringen", so der Klagenfurter Anwalt.
Dieses Vorgehen biete den Vorteil, "dass der jeweilige Arbeitnehmer nicht gegen seinen Dienstgeber vorgehen muss", sagt Sommer. Er denkt nämlich, dass das Vorgehen gegen den Dienstgeber eine gewisse und nachvollziehbare Hemmschwelle für den Arbeitnehmer bedeute. So aber könne man "unmittelbar gegen den Gesetzgeber vorgehen".
Als "beschämend" bezeichnet es Sommer, dass der Karfreitag in Österreich kein Feiertag mehr sein soll. So stelle sich Österreich hinter viele Länder, wo der Karfreitag sehr wohl ein Feiertag sei. Sommer ruft interessierte evangelische Arbeitnehmer auf, sich bei ihm zu melden, um gesammelt vorzugehen und die Kosten pro Person in einem überschaubaren Rahmen zu halten.
Die Kritik an der Regierung ist auch am Donnerstag nicht abgeebbt. Der evangelische Synodenpräsident Peter Krömer erklärte, die Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach sich "für 96 Prozent der Österreicher nichts" ändere, habe bei ihm "blankes Entsetzen" ausgelöst. Die Äußerungen von Kurz und Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) ließen nur den Rückschluss zu, "dass die Bundesregierung den seit den 1960er-Jahren in Österreich bestehenden Grundkonsens, die Evangelischen seien in Österreich eine unverzichtbare, wertvolle Minderheit", aufgekündigt habe, sagte Krömer. Er sprach von einem "harten Schlag" für die Evangelischen".
Die Neuregelung entspreche "nicht einer angemessenen Berücksichtigung der gemeinsamen, öffentlichen Religionsausübung religiöser Minderheiten im Sinne Verfassungs- und grundrechtlicher Bestimmungen", so Krömer. Mitglieder der Römisch-katholischen Kirche müssten zur Begehung religiöser Feiertage keinen Urlaubstag aufwenden, betonte er.
Der steirische Superintendent Wolfgang Rehner hatte laut kathpress die Neuregelung bereits am Mittwoch mit dem Grazer katholischen Bischof Wilhelm Krautwaschl als "großen Verlust" bezeichnet. Auch Krautwaschl zeigte sich enttäuscht: "Das ist keine kluge Lösung", sagte er laut der "Kleinen Zeitung", denn: "Der evangelischen Kirche wird etwas weggenommen."