SN.AT / Politik / Innenpolitik

Österreich stoppt Entwicklungsgelder an Palästinenser

Wegen der Gewalteskalation in Israel stoppt Österreich die Entwicklungszusammenarbeit mit den Palästinensern. "Wir werden alle Zahlungen der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit vorerst auf Eis legen", sagte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) am Montag im "Morgenjournal" des ORF-Radios Ö1. Es handle sich um ca. 19 Millionen Euro. Der palästinensische Botschafter in Wien reagierte mit Bestürzung. Aber auch Deutschland kappt nach einer Debatte die Hilfen.

Schallenberg: Zunächst keine weitere Hilfen an Palästinenser
Schallenberg: Zunächst keine weitere Hilfen an Palästinenser

"Das Ausmaß des Terrors ist so entsetzlich. Das ist ein derartiger Bruch, dass man nicht zur Tagesordnung übergehen kann", sagte Schallenberg. Österreich werde daher alle Projekte mit den palästinensischen Gebieten "auf den Prüfstand stellen und evaluieren". Über weitere Schritte werde mit den internationalen Partnern beraten. Eine Differenzierung zwischen dem von der militanten Hamas kontrollierten Gazastreifen und dem Westjordanland, das von der vom Westen unterstützten Palästinensischen Autonomiebehörde unter Präsident Mahmoud Abbas verwaltet wird, nahm der Außenminister dabei nicht vor.

Botschafter Salah Abdel Shafi zeigte sich in er Aussendung bestürzt über die Ankündigungen Schallenbergs: "Dieser Schritt bedeutet eine kollektive Bestrafung für die palästinensische Bevölkerung und unterstützt Israels aggressive Politik gegen die palästinensische Zivilbevölkerung. Wir hoffen, dass die österreichische Bundesregierung diesen Beschluss revidiert, denn die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist eine wichtige Säule der Stabilität in dieser Region."

Die Hilfsorganisation CARE appellierte an die Bundesregierung, die Prüfung der betroffenen Projekte so rasch wie möglich durchzuführen, damit sie ihre "humanitäre Arbeit ehestbaldig fortsetzen und besonders vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder und ältere Menschen weiter unterstützen können". CARE Österreich führt derzeit zwei Projekte in Palästina durch, die finanziell von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) unterstützt werden. Die Ankündigung Schallenbergs, die Gelder für Palästina einzufrieren, "droht die ohnehin schon prekäre humanitäre Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung weiter zu verschärfen".

Die österreichische Entwicklungszusammenarbeit unterstützt bisher sieben Projekte in Palästina im Gesamtwert von 18,8 Millionen Euro. Der Schwerpunkt liege auf der Wasser- und Gesundheitsversorgung sowie der Stärkung der Frauen, teilte das Außenministerium auf Nachfrage mit. Die Partner Österreichs in den Projekten seien vorrangig UNO-Organisationen - das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), das UNO-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), das Büro für Projektdienste (UNOPS) sowie anerkannte NGOs (Care Österreich, Evangelische Frauenarbeit in Österreich) sowie die Palestinian Water Authority.

In den Projekten werde beispielsweise das Personal der palästinensischen Wasserbehörde geschult. Die Teilhabe von Frauen am palästinensischen Arbeitsmarkt werde gestärkt und das Gesundheitsprogramm des UNRWA in den Palästinensergebieten unterstützt.

Das deutsche Entwicklungsministerium entschloss sich ebenfalls nach einer kontroversen innenpolitische Debatte, die Finanzhilfen für die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten "vorübergehend" auszusetzen. Die Programme würden nun umfassend und mit offenem Ausgang überprüft, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Montag laut dpa in Berlin. Nach Angaben der Sprecherin waren für dieses und nächstes Jahr rund 125 Millionen Euro an bilateraler Entwicklungszusammenarbeit zugesagt. Dabei gehe es um längerfristige Entwicklungszusammenarbeit. Sie nannte Wasserversorgung und -entsorgung, eine Entsalzungsanlage, berufliche Bildung, die Schaffung von Arbeitsplätzen für junge Leute und Ernährungssicherung als Beispiele. Zuvor hatte Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bekräftigt, dass die Bundesregierung ihr gesamtes Engagement für die palästinensischen Gebiete auf den Prüfstand stellen werde.

Die mitregierende FDP hatte laut Reuters gefordert, alle Zahlungen an palästinensische Organisationen auszusetzen. Auswärtiges Amt und Entwicklungsministerium müssten alle Hilfsleistungen "unverzüglich einer Sonderprüfung" unterziehen, hieß es in einem Präsidiumsbeschluss der deutschen Liberalen. "Bis zum Abschluss dieses Prozesses müssen die Zahlungen gestoppt werden." Auch die oppositionelle CDU ergriff einen ähnlichen Parteibeschluss, der auch die Einstellung aller Zahlungen der EU an Organisationen der Palästinenser bis auf weiteres verlangte.

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, mahnte in der Debatte um Kürzungen und Aussetzungen von Finanzhilfen für die Palästinensischen Gebiete zu Augenmaß. "Jegliche Hilfe für die Palästinenser einzustellen, halte ich für falsch", sagte der deutsche Historiker am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Das wird der Komplexität der Situation dort nicht gerecht."

Anders als das deutsche Entwicklungshilfeministerium leistet das deutsche Außenministerium weiter Zahlungen für die Palästinenser-Gebiete. Ein Großteil der vom Ministerium für humanitäre Aufgaben bereitgestellten Gelder von 73 Millionen Euro seien bereits ausgezahlt, sagte ein Außenamtssprecher am Montag in Berlin. "Aber es stehen auch noch Zahlungen an, und die gehen auch weiter. Denn mit dieser Hilfe wird ja gerade lebensrettende Arbeit geleistet."

Wie die CDU forderte in Österreich die FPÖ, "die EU soll alle Zahlungen an Palästinenser umgehend einstellen". Für den freiheitlichen Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, "gibt keinerlei Grund, weiterhin europäische Gelder in Strukturen zu pumpen, die mit beispielloser terroristischer Brutalität gegen Israel vorgehen". Allein im Rahmen des EU-Nachbarschaftsinstruments NDCI seien für 2021 bis 2024 1,18 Milliarden Euro an EU-Mitteln für Palästina vorgesehen, dazu kämen in diesem Rahmen noch mehr als 1,6 Milliarden Euro an bilateralen Hilfen aus EU-Staaten, so Vilimsky.