Kurz und schmerzlos, zumindest ohne Zwischenrufe oder sonstige Vorkommnisse, ging die Angelobung von Ex-Kanzler Sebastian Kurz am Donnerstag vonstatten. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) eröffnete die Sitzung um 9 Uhr und nahm dem ehemaligen Regierungschef die Gelöbnisformel ab. Mit den Worten "ich gelobe" wurde der jetzige ÖVP-Klubchef zum Abgeordneten im Nationalrat. Den Platz frei machte Bundesbäuerin Irene Neumann-Hartberger (ÖVP), die im Jänner 2020 anstelle von Kurz im Parlament nachgerückt war.
Opposition kritisiert Budgetpläne: "Entlastung sieht anders aus"
Hauptthema der heutigen Sitzung ist aber der Bundeshaushalt. Das Budget 2022 wandert nach der "Ersten Lesung" zur weiteren Behandlung inklusive Expertenhearing in den Budgetausschuss; im Plenum beschlossen werden soll es am 18. November. Die Opposition übte Kritik: "Dieses Budget wäre eine Chance gewesen. Diese Chance wurde vergeben", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Weichen zu stellen oder sich den großen Herausforderungen der Zeit zu stellen, seien in diesem Haushalt nicht abgebildet. Auch würden die arbeitenden Menschen nicht entlastet, vielmehr müssten sie sich die Steuerreform selber zahlen. "Eine wirkliche Entlastung sieht anders aus", außerdem komme sie zu spät.
FPÖ-Klubchef Herbert Kickl sprach erneut von der "größten Mogelpackung der Zweiten Republik" und einem "Schwurbelbudget". Die Erzählung von Entlastung und ökologischen Lenkungseffekten sei bar jeder Effizienz.
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass von der viel beschworenen Zukunftsausrichtung im Budget nichts zu erkennen sei. Sie dankte den Steuerzahlern, die die Steuerreform erst möglich gemacht hätten. "In Wahrheit geben Sie ja das Geld anderer Leute aus, und das mit vollen Händen", warf sie der Regierung vor. Die Kalte Progression hätte längst abgeschafft werden können.
Grünen-Chefin Maurer: "Wir investieren, reformieren und modernisieren"
Auf Koalitionsseite sah man dies naturgemäß anders. ÖVP-Vizeklubchef August Wöginger meinte, das Budget sei "die Grundlage für die kommende Zeit", sei nachhaltig, sichere Stabilität und unterstütze den Wirtschaftsaufschwung nach der Coronapandemie. "Hier wird jetzt Klimaschutz mit Hausverstand gemacht", meinte er auch zur geplanten Steuerreform und lobte die Familenbonus-Erhöhung, die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge und der Körperschaftssteuer. Nur Positives konnte auch Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer erkennen, denn: "Wir investieren, wir modernisieren und wir reformieren."
Auch Sebastian Kurz meldete sich in der Budgetdebatte zu Wort. Er rekapitulierte noch einmal die Ziele, die die türkis-grüne Bundesregierung mit dem Budget und der Steuerreform erreichen möchte: "Die Wirtschaft wächst, alle sollen etwas vom Aufschwung haben." Deshalb entlaste man auch Familien und Pensionisten, sagte Kurz. Dafür gab es zumindest von seinen Parteikollegen langen Applaus. Zu den Ermittlungen gegen ihn und die ÖVP oder seinen Rücktritt als Bundeskanzler verlor er kein Wort.
Wenig spektakulär ist das Programm nach der Budgetdebatte. Auf der Tagesordnung stehen eine Reihe von Entschließungsanträgen, Berichte des Rechnungshofes und über Bürgerinitiativen und Petitionen. Neo-Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) ließ sich aufgrund seiner ersten Auslandsreise in seiner neuen Funktion von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) vertreten. Ebenso abwesend ist der neue Aßenminister Michael Linhart, der am Donnerstag Sarajevo besucht. Ihn vertritt ÖVP-Ministerin Susanne Raab.
Kurz: "Ich bin kein Schattenkanzler"
Donnerstagfrüh, noch vor Beginn der Nationalratssitzung, veröffentlichte der Alt-Kanzler ein Video auf seiner Facebook-Seite. Darin betonte er einmal mehr, "kein Schattenkanzler" sein zu wollen. Er habe den Schritt zur Seite gemacht, um eine "stabile Regierung zu sichern". Als Klubobmann und Parteichef werde er "alles tun", um Neo-Kanzler Alexander Schallenberg zu unterstützen. Die vergangenen Tage seien für viele im Land eine "emotionale Achterbahnfahrt" gewesen, so auch für ihn.
Auch auf die veröffentlichten Chatnachrichten ging Kurz noch einmal ein. Er "verstehe absolut", dass man an den Bundeskanzler besondere Erwartungen habe, was die Wortwahl betreffe. Er sei aber "kein Roboter sondern ein Mensch mit Fehlern, mit Emotionen und ja leider manchmal auch mit Formulierungen, die ich öffentlich nicht verwenden würde. Ich habe mich bereits für diese Formulierungen entschuldigt, und ich bedauere sie auch." Diese seien aber gezielt an die Öffentlichkeit gespielt worden, um der Volkspartei und ihm zu schaden. Zudem werde derzeit vieles vermischt, so Kurz, dem eine "klare Trennung" zwischen SMS-Nachrichten und strafrechtlichen Vorwürfen fehlt. "Ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nicht strafrechtlich irgendetwas zuschulden kommen lassen", so Kurz: "Das werde ich am Ende des Tages auch beweisen."
ÖVP-Ermittlungen: Meinungsforscherin enthaftet
Am Mittwoch wurde im Nationalrat der erste Schritt für den neuen U-Ausschuss zu den Korruptionsermittlungen gegen die türkise ÖVP gesetzt. SPÖ, FPÖ und NEOS brachten das Verlangen auf Einsetzung eines solchen Ausschusses ein. Sie wollen die ÖVP-Inseratenkampagne politisch aufarbeiten, nachdem das Bekanntwerden der Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft und von Chats dazu zum Rücktritt von Kurz als Kanzler geführt haben. Am Donnerstag, kurz vor Beginn der Nationalratssitzung, wurde bekannt, dass die Meinungsforscherin, die im Zusammenhang mit der Inseraten-Affäre festgenommen worden war, enthaftet wurde.