Regierung erarbeitet Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen: Was bisherige Maßnahmen bewirkt haben
Die Regierung erarbeitet einen Nationalen Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen, um Opfer besser zu schützen und früher Prävention zu leisten. Maßnahmen gab es in der Vergangenheit bereits viele.
BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER
Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) präsentierte ihre Pläne zur Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen.
Vor zwei Wochen soll ein 32-jähriger Ungar eine 34-jährige Deutsche auf einem Parkplatz in Maria Alm erschossen haben. Die tragische Tat ist einer der bereits sieben mutmaßlichen Femizide in diesem Jahr, die die Autonomen Frauenhäuser zählen. Hinzu kommen 16 Fälle von Mordversuchen oder schwerer Gewalt.
Die Bluttat in Maria Alm hatte auch einige Forderungen zum Umgang mit potenziellen Gewalttätern auf den Tisch gebracht. Diese sollen nun in die Erarbeitung des Nationalen Aktionsplans einfließen, an dem Regierung und Expertinnen aktuell arbeiten, wie die zuständige Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) bei einer Auftaktveranstaltung am Dienstag betonte. Bereits Ende April wurde im Ministerrat der Beschluss für die Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen gefasst.
"Gesamtgesellschaftlicher Auftrag, aktiv zu werden"
"Gewalt gegen Frauen ist traurige Realität und betrifft in Österreich leider jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens", so Holzleitner. "Es ist unser gesamtgesellschaftlicher Auftrag, hier aktiv zu werden."
Ziel des Plans soll es sein, "das Gewaltschutznetz in Österreich enger zu weben", wie Holzleitner betonte. In acht Arbeitsgruppen sollen in den kommenden Monaten gemeinsam mit Expertinnen und Experten über Ressorts hinweg Maßnahmen formuliert werden. Die sollen dann bis zum Herbst gesammelt und mit Jahresende finalisiert werden. Ein "ambitionierter Zeitplan", wie Holzleitner betonte, die sich angesichts des "feministischen Schulterschlusses" aller Ressorts aber zuversichtlich zeigte, dass das gelingen wird. Thematisch waren im Vorfeld bereits einige Punkte des Plans bekannt geworden. So plant die Regierung etwa, das unaufgeforderte Versenden von Penisbildern stärker zu ahnden. Auch eine Fußfessel für Gewalttäter ist im Gespräch. Wie Holzleitner am Dienstag verkündete, sollen sich die Arbeitsgruppen auch mit der frühen Prävention, vom Kindergarten bis in die Hochschulen, und der Früherkennung im Gesundheitsbereich befassen.
Abweisung von Vergewaltigungsopfer hatte für Empörung gesorgt
Erst in der vergangenen Woche hatte die Abweisung eines Vergewaltigungsopfers die Forderungen nach neuen Maßnahmen im Gesundheitsbereich laut werden lassen. Eine obdachlose Frau hatte sich Anfang April Streetworkern anvertraut und ihnen von einem sexuellen Übergriff zuvor erzählt. Gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin sei das Opfer ins Spital gefahren, um sich behandeln und Beweise sichern zu lassen. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Kepler Universitätsklinikum (KUK) wurde die Frau aufgenommen und in die gynäkologische Ambulanz geschickt. Dort wies man sie dann aber weg, da das Spital an jenem Tag keine Aufnahme hatte. Die Frau verweigerte daraufhin jede weitere Hilfe und auch eine Anzeige. Am Montag kündigte die für Gesundheit zuständige Landeshauptmannstellvertreterin Christine Haberlander (ÖVP) nun an, dass in Oberösterreich eine Gewaltambulanz eingerichtet werden soll. Die Etablierung dieser Ambulanz im KUK soll in Abstimmung insbesondere mit Polizei, Gewaltschutzzentren und Frauenhäusern erfolgen.
In den vergangenen Jahren gab es bereits zahlreiche Maßnahmenpakete
Der nationale Aktionsplan aus Holzleitners Feder ist nicht der erste seiner Art. Schon 2014 hatte die damals zuständige Frauen- und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) einen Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt auf den Weg gebracht. Dieser zielte vor allem auf den Bereich von Prävention und Opfer-Unterstützung ab und war bis 2016 in Kraft. Auch danach rissen die Maßnahmen der jeweils agierenden Regierung nicht ab. 2019 wurden die im Vorjahr unter großem Protest der Opferschutzeinrichtungen abgeschafften "Fallkonferenzen" wieder eingeführt. Seit September 2021 ist nach dem Ausüben häuslicher Gewalt eine verpflichtende Täterberatung vorgesehen. Und 2024 präsentierte die damalige Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) eine neue Gewaltschutzstrategie samt einer Stelle zur Koordinierung der Hilfsangebote.
Wie greifen diese Maßnahmen?
Zahl der Fallkonferenzen zuletzt zurückgegangen
Die Zahl der in Gewaltschutzzentren betreuten Personen ist 2024 um 1,25 Prozent gestiegen. 25.114 Betroffene wurden nach polizeilichen Interventionen kontaktiert oder suchten sich selbst Hilfe in entsprechenden Einrichtungen. Gleichzeitig gab es um 2,85 Prozent weniger Wegweisungen, nämlich 14.600 Betretungs- und Annäherungsverbote im Vorjahr. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass präventive Förderungen Wirkung zeigen.
"Maßnahmen sind erst nach einiger Zeit spürbar"
Marina Sorgo
Bundesverbandsvorsitzende der Gewaltschutzzentren Österreich
In der Regel seien Maßnahmen aber erst nach einiger Zeit spürbar und würden nicht sofort greifen, wie Marina Sorgo, Vorsitzende des Bundesverbands der Gewaltschutzzentren Österreich, am Dienstag im Rahmen der Pressekonferenz betonte. Zurückgegangen ist hingegen auch die Zahl der sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen. Und zwar von 234 im Jahr 2023 auf 193 im Jahr darauf. Auch konkrete Ableitungen daraus werden erst nach mehrjährigem Vergleich möglich sein. Trotzdem deuteten die Zahlen darauf hin, dass "die Arbeit für Gewaltprävention Früchte trägt", wie Sorgo betonte.
"Gewalt ist in unsere Gesellschaft eingewoben"
Auf die Bedeutung der Beratungsangebote wies am Dienstag Elisabeth Cinatl vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser und Netzwerk Frauen- und Mädchenberatungsstellen hin. Häufig werde Gewalt gegen Frauen bagatellisiert und nicht ernst genommen, so die Expertin. "Gewalt ist nicht zufällig und kein individuelles Problem, sondern leider in unsere Gesellschaft eingewoben."
"Gewalt ist nicht zufällig und kein individuelles Problem"
Elisabeth Cinatl
Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser und Netzwerk Frauen- und Mädchenberatungsstellen
Komme es in der eigenen Beziehung zu körperlicher oder psychischer Gewalt, erzeuge das bei Betroffenen häufig einen Bruch im allgemeinen Vertrauen in die Menschheit. Viele Frauen blieben mit ihren Schamgefühlen allein, viele fühlten sich selbst schuldig. "Jede Frau, der es gelingt, sich Unterstützung zu holen, ist eine extrem starke Frau. Denn sie durchbricht das Gewaltsystem", so Cinatl.
Prävention müsse möglichst früh und systematisch ansetzen und "die Gewaltspirale stoppen, bevor es zu spät ist", betonte auch Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) in einer Aussendung. "Wir haben es geschafft, das Budget für den Gewaltschutz zu erhalten, trotz des großen Spardrucks. So können beispielsweise Gewaltambulanzen in Wien und Graz ihre wichtige Arbeit fortsetzen." Zudem sei das Verbot der unaufgeforderten Übermittlung sogenannter Dick-Pics auf den Weg gebracht worden.
Frauenbudget trotz Sparkurs gesichert
Ein grundsätzlich positives Zeugnis stellte dem österreichischen Gewaltschutz im vergangenen Jahr übrigens auch das Expertengremium des Europarats zu Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Grevio) aus. Grevio lobte in seinem Bericht im September 2024 allem voran das Gewaltschutzgesetz von 2019, mit dem sicherheitspolizeiliche Fallkonferenzen wieder eingeführt wurden und eine verpflichtende Gewaltpräventionsberatung für Täter häuslicher Gewalt umgesetzt wurde, mahnte aber auch viel Handlungsbedarf an. Grevio forderte so etwa gezielte Sensibilisierungsmaßnahmen und explizite Fortbildungen zur geschlechtsspezifischen Gewalt gegen Frauen sowie die Sicherstellung einer angemessenen langfristigen Finanzierung von NGOs, die gewaltbetroffene Frauen unterstützen.
Auch dieses Thema kam beim Auftakt der Erarbeitung des neuerlichen Aktionsplans auf den Tisch. Frauenministerin Holzleitner betonte auf Nachfrage, dass das Frauenbudget trotz Sparkurs der Regierung für 2025 gesichert sei - und dass man für 2026 erfreulicherweise sogar eine kleine Steigerung feststellen könne.
Hilfe in Gewaltsituationen
Wenn Sie selbst von Gewalt betroffen sind oder Angehörigen helfen möchten, gibt es eine Reihe von Anlaufstellen:
Die Frauenhelpline erreichen Sie täglich von 0 bis 24 Uhr kostenlos unter der Nummer 0800 / 222 555. Die Frauenhelpline erreichen Sie auch im Internet unter www.frauenhelpline.at