Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte die Ermittlungsdaten jahrelang nicht gelöscht. Auf einer internen Liste des BVT wurden die Aktivisten zudem als politische Extremisten geführt - wofür sich BVT-Chef Peter Gridling in weiterer Folge entschuldigte und das mit menschlichem Versagen begründete. Ins Visier des Verfassungsschutzes geraten waren die ÖH-Aktivisten, weil sie die Budgetdebatte im Nationalrat im Dezember 2010 gestört hatten. Sie sorgten damals für eine Sitzungsunterbrechung, auch Flugzettel wurden von der Besuchergalerie geworfen.
Garstenauer sagte aus, dass er Anfang 2011 ein Auskunftsbegehren gestellt habe und "zu meiner großen Überraschung erfahren habe, dass meine Daten in der EDIS-Datenbank eingetragen waren". Die Ermittlungen liefen wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Abwehr krimineller Verbindungen. "Ich war sehr überrascht, war schockiert, habe mich eingeschüchtert und in meinen Rechten eingeschränkt gefühlt", sagte Garstenauer. Nach der Entschuldigung aus dem Ressort "habe ich es dabei belassen".
Dass sich das Innenministerium im Nachhinein bei den Aktivisten entschuldigt hatte, habe ihn aber nicht zufriedengestellt. "Ich kann nicht sagen, dass ich zufrieden war", sagt Garstenauer. Er habe sich damit abgefunden. Als er wesentlich später erfahren habe, dass die Daten damals gar nicht gelöscht worden waren, sei er "enttäuscht und zornig" gewesen.
Garstenauer hat 2015 erfahren, dass die Daten noch immer nicht gelöscht waren. Erst 2016 sei er vom BVT nach einem Löschbegehren schriftlich informiert worden, "dass meine Personendaten gelöscht wurden". Aus der Mitteilung sei dabei hervorgegangen, dass Garstenauers Löschbegehren auch einem Mitarbeiter des Minister-Kabinetts weitergeleitet wurde. "Ich weiß aber nicht, ob es sich dabei nicht womöglich um einen Routinevorgang handelt", so der Zeuge.
Die Opposition versucht unterdessen, für die kommende Woche im BVT-Untersuchungsausschuss doch noch ein paar Zeugen zu bekommen. Am Rande der Sitzung am Dienstag einigte man sich auf eine Liste, die man nun den Regierungsparteien übermitteln wird. Später will die Opposition auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) laden.
Nach der früheren ÖH-Vorsitzenden Sigrid Maurer - bisher die einzige Zeugin für nächste Woche - sollen nach dem Wunsch der Opposition am nächsten Dienstag noch zwei Beamte zu mutmaßlich parteipolitischen Postenbesetzungen Auskunft geben. Tags darauf, am Mittwoch, würde man gerne Kabinettschef Reinhard Teufel im Ausschuss sehen, außerdem Mario F., der angeblich auf Wunsch der FPÖ ins BVT kam, sowie den langjährigen Personalverantwortlichen aus dem Innenressort.
Sehr zäh und teils skurril verlief Dienstagnachmittag die Befragung der ehemaligen BVT-Mitarbeiterin Ria-Ursula P., die in der BVT-Affäre als Hauptbelastungszeugin aufgetreten ist und auch beim Untersuchungsthema Postenschacherei eine Rolle spielt, weil sie wegen ihrer politischen Kontakte zur ÖVP in Niederösterreich eine Planstelle im BVT bekommen haben soll.
Ein großer Teil der Befragung drehte sich um ein Interview, das P. am Tag vor ihrer ersten Befragung im U-Ausschuss im Oktober 2018 der "Krone" gegeben hat. Darin erzählte sie von "Sexattacken und Mobbing" im BVT, und dass ihr gedroht worden sei, ihr würden "sämtliche Finger gebrochen werden", wenn sie etwas sage. Begleitet wurde P. zu dem Interview von ihrem Vater, einem hochrangigen früheren ÖVP-Politiker in Niederösterreich.
Als dritte und letzte Zeugin ist am Dienstag im Verfassungsschutz-Untersuchungsausschuss BVT-Mitarbeiterin Sandra R. befragt worden. R. sollte zu mutmaßlich politischen Postenbesetzungen im BVT Auskunft geben. Der Polizistin war es öfters ein Dorn im Auge, wenn Kollegen nach ihrer Wahrnehmung nicht geeignet oder ausgebildet für ihre Funktionen im Verfassungsschutz waren.
In einem E-Mail schrieb die Chefinspektorin etwa, "dass Nichtsahnende das BVT überschwemmt haben". Wie solche Personen ins BVT gekommen seien, könne sie nicht beurteilen, sagte R., die nach Eigenangaben 1991 als erste Frau die Polizeischule absolviert hat und stolz in Uniform im Ausschuss erschien.
Von ihrer Einschätzung nicht ausgenommen ist auch der ehemalige Spionagechef Bernhard P., Beschuldigter in der BVT-Affäre. "Er ist ein netter Kerl", meinte R., aber sie habe es so empfunden, "dass er für die Leitung des sensibelsten Referates in der operativen Abteilung nicht die beste Wahl war". Die BVT-Beamtin bezeichnete den Spionagechef in dem E-Mail als "unantastbar" - wegen seiner "Beziehung zur ÖVP". Es sei bekannt gewesen, dass P. vorher Parlamentarier war und viele im Minister-Kabinett kenne. Wenn P. Weisungen zunächst nicht ernst genommen habe und das dann vom Tisch war, habe es Gerüchte gegeben, dass er es sich "gerichtet" habe, sagte R. Sie sprach in ihrer Befragung allerdings sehr oft von "Bassena-Gerüchten".
Aufhorchen ließ R. mit der Aussage, dass der ehemalige Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) "bei uns der Polizei-Zerstörer genannt wird", weil er Verwaltungsbeamte und Polizisten vermischt habe. Das führe zu Konflikten, "weil im operativen Bereich Leute ohne entsprechender Ausbildung arbeiten". Eine gewisse Anzahl an Unqualifizierten "druckt man noch durch", aber "wenn die Dummheit genügend große Ausmaße angenommen hat, dann wird sie unsichtbar", sagte R. mit Verweis auf ein Zitat vom Schriftsteller Bertolt Brecht.
Mit der Befragung von R. endete ein langer Ausschuss-Tag, am Mittwoch geht es mit Verfassungsschutz-Chef Peter Gridling und der Leiterin des Extremismusreferates, Sibylle G., weiter.
Ab April würde man gerne den früheren schwarzen Kabinettschef Michael Kloibmüller befragen, erklärte NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper. Wichtig seien auch noch Ex-BVT-Vizechef Wolfgang Zöhrer, und abermals der ehemalige Spionagechef Bernhard P. und der frühere Abteilungsleiter Martin W. zum Themenkomplex der "schwarzen Netzwerke" im Innenministerium.
Auf Wunsch der Opposition könnte es auch durchaus noch prominente politische Zeugen geben: So denkt man etwa an eine Ladung von Nationalratspräsident Sobotka wegen seiner früheren Funktion als Innenminister. Sobotkas Kabinett sei offensichtlich in die Causa Maurer involviert, berief sich Peter Pilz von der Liste Jetzt auf eine heutige Zeugenaussage, und habe außerdem dem U-Ausschuss einen Schlüsselakt "unterschlagen" - sei also ein "Fixstarter". Sobotka solle das im Ausschuss erklären, findet auch SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer: "Die Gelegenheit muss man ihm auch geben."