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60 Stunden im Zug: Nordkoreas Machthaber Kim ist zum Treffen mit Trump nach Vietnam aufgebrochen

Ein Flug von Korea nach Vietnam dauert etwa fünf Stunden, dennoch reist der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un in einem kugelsicheren Zug etwa 4.500 Kilometer weit zu seinem zweiten Gipfel mit US-Präsident Donald Trump. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA veröffentlichte am Sonntag Bilder vom winkenden Kim in seinem abfahrbereiten gepanzerten Spezialzug in Pjöngjang.

Wie in einem alten Film winkte Kim noch einmal aus dem Zug
Wie in einem alten Film winkte Kim noch einmal aus dem Zug

Ein offizielles Foto von der Abfahrt zeigte Kim winkend in einer Tür des gepanzerten Sonderzugs. Die fast 4.000 Kilometer lange Fahrt nach Vietnam könnte rund 60 Stunden dauern.

Am Samstagabend überquerte der grüne Zug in Dandong die Grenze nach China, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap und die Website NK News berichteten. Die genaue Route wurde geheim gehalten.

Über Kims Reisepläne war seit Tagen spekuliert worden. Sein zweites Gipfeltreffen mit Trump ist am Mittwoch und Donnerstag in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi geplant. Im Juni vergangenen Jahres hatten sich die beiden erstmals in Singapur getroffen.

Vor dem Gipfel mit Trump wird Kim in Vietnam zu einem offiziellen Staatsbesuch empfangen, wie die das Außenministerium in Hanoi am Samstag angekündigt hatte.

Verdunkelte Fenster der Waggons

Bei seiner Zugreise wird Kim laut KCNA von dem General Kim Yong-chol begleitet, der als rechte Hand des Machthabers gilt und im Jänner von Trump im Weißen Haus in Washington empfangen worden war.

In der Grenzstadt Dandong im Nordosten Chinas galten am Abend strenge Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei sperrte die Brücke über den Grenzfluss ab und schickte einen AFP-Korrespondenten weg. Ein Hotel an der Brücke wurde kurzfristig für Renovierungsarbeiten geschlossen. "Der Zug ist lang und er ist langsamer über die Brücke gefahren als der Touristenzug", sagte ein Augenzeuge NK News. Die Fenster der Wagons seien verdunkelt gewesen, bei der Fahrt über die Brücke habe nur das Vorderlicht geleuchtet.

Unklar war zunächst, ob Kim einen Zwischenstopp in Peking einlegt. Am Bahnhof gab es allerdings keine erhöhten Sicherheitsvorkehrungen, was darauf hindeutet, dass der nordkoreanische Machthaber zumindest auf der Hinfahrt nicht in der chinesischen Hauptstadt hält.

Lange Zugreisen haben Tradition

Lange Zugreisen haben in Kims Familie Tradition: Schon der Großvater Kim Il Sung und sein Vater Kim Jong Il traten während ihrer Herrschaft lange Auslandsreisen mit einem Zug an. Noch wenige Monate vor seinem Tod Ende 2011 fuhr Kim Jong Il mit dem gepanzerten Spezialzug tagelang nach Moskau.

Selbst sein Tod soll Kim Jong Il im Zug ereilt haben. Die staatlichen Medien berichteten, er sei auf dem Weg in eine Region außerhalb von Pjöngjang an Herzversagen gestorben. Der frühere Machthaber soll an Flugangst gelitten haben. Nach Berichten der südkoreanischen Zeitung "Chosun Ilbo" fuhr der Sonderzug normalerweise mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern - ein viel höheres Tempo lassen die schweren gepanzerten Waggons nicht zu.

Flugangst lässt sich vom Sohn Kim Jong Un nicht nachsagen: Nachdem er im März des vergangenen Jahres zu seinem ersten Auslandsbesuch in China noch mit dem kugelsicheren Zug nach Peking gefahren war, benutzte er im Mai seinen Iljuschin-Jet nach Dalian. Auch im Juni wählte er erneut das Flugzeug zu einem Besuch in Peking. Zu seinem historischen Gipfel mit Trump im Juni in Singapur holte ihn eine 747-Maschine von Air China in Pjöngjang ab.

Olivgrüne Lackierung, pinkfarbene Ledersessel

Bilder der Staatsmedien von einem winkenden Kim aus dem abfahrtsbereiten Zug auf dem Weg nach Vietnam zeigen jetzt, dass sich anscheinend an den Sonderzügen seit den Tagen seines Vaters äußerlich nicht viel geändert hat. Typisch sind die olivgrüne Lackierung der Schienenfahrzeuge mit dem markanten gelben Streifen und die getönten Fenster.

In einer der wenigen Aufnahmen aus dem Innern eines der 21 Waggons vom März des vergangenen Jahres sah man Kim und seine Entourage in pinkfarbenen Ledersesseln sitzend. Der Boden war mit Holz ausgelegt, an den Fenstern hingen Gardinen. Die Züge sollen mit moderner Kommunikationstechnik ausgerüstet sein. Unklar ist, ob Kim Jong Un die Sonderzüge auch sonst so üppig ausstatten lässt wie sein Vater.

Als Kim Jong Il 2001 durch Russland tuckerte, habe er importierten Wein aus Frankreich und Feinschmecker-Mahlzeiten mit silbernen Essstäbchen genossen, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf Memoiren von Konstantin Pulikowski, einem russischen Diplomaten, der mit dem Diktator unterwegs war. Kim habe zudem alte sowjetische Lieder mit "schönen Zugbegleiterinnen" gesungen.

Die Doppelgänger sind schon da

Bereits eine Woche vor dem zweiten Gipfeltreffen in Vietnam sind US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un in Person ihrer Doppelgänger in Hanoi angekommen. Ein stark mit Bräunungscreme geschminkter Trump-Darsteller Russel White und Kim-Doppelgänger Howard X begrüßten sich am Freitag auf den Stufen der Oper der vietnamesischen Hauptstadt.

"Wir arbeiten auf Frieden hin. Mittels Verhandlungen, im Dialog, wir wollen Nordkorea natürlich helfen", sagte der frisch frisierte Trump-Doppelgänger White. "Hoffentlich kann er über die Atomraketen hinwegsehen und die Sanktionen aufheben", äußerte der falsche Kim.

Nach ihrem Auftritt wurden die beiden Doppelgänger von vietnamesischen Polizisten vernommen. Etwa zehn Polizisten tauchten in der Redaktion eines örtlichen Fernsehsenders auf, dem White und X ein Interview gaben. "Sie haben im Wesentlichen gesagt, wir sollen mit dem Doppelgängerspiel aufhören, sonst würden wir aus dem Land geworfen", sagte Howard X der Nachrichtenagentur AFP nach dem Ende der Befragung. Offenbar werde er in seinem Hotel von Polizisten in Zivil überwacht.

Der Gipfel soll möglichst störungsfrei werden

Die Polizei erklärte, die beiden dürften sich nur auf einer genehmigten Route und in Begleitung eines Reisebegleiters in der Stadt bewegen. Spontane öffentliche Versammlungen sind in dem kommunistischen Einparteienstaat nicht gern gesehen, der den Gipfel von Trump und Kim kommende Woche möglichst störungsfrei gestalten will.

Die beiden Männer treten als Vollzeit-Darsteller auf und verdienen damit nicht schlecht: "Das Gute an Kim ist, er macht immer etwas Interessantes, Trump ebenso", sagte Howard X, der für einen Auftritt mindestens 3500 Dollar (gut 3000 Euro) in Rechnung stellt - einmal sei er mit 15.000 Dollar entlohnt worden.

Allerdings kostet ihn die Verwandlung auch immer viel Zeit und Mühen: Drei Stunden arbeite er jedes Mal an dem Kim-Look mit sorgfältig manikürten Fingernägeln, einer dicken schwarzen Hornbrille und einem Maßanzug eines Schneiders in Hongkong, wo er lebt.

"Lassen Sie sich eine anständige Frisur machen"

Vor allem aber die Frisur mache ihm zu schaffen: "Herr Kim, bitte lassen Sie sich eine anständige Frisur machen, es nervt", sagte Howard X. Der aus Kanada stammende White braucht dagegen nach eigenen Angaben nur etwa 20 Minuten für den Trump-Style mit der Tolle und mit viel Tönungscreme im Gesicht, wobei er die Partie unter den Augen ausspart.

Beide suchen nach weiteren Doppelgängern, um ihre "Tyrannen"-Truppe zu komplettieren, wie sie sagen: Doppelgänger des russischen Präsidenten Wladimir Putin, von Chinas Xi Jinping oder Brasiliens Jair Bolsonaro sollten sich bitte melden.

Hoffnung auf "vollständige Denuklearisierung"

Mit dem zweiten Gipfel ist weltweit die Hoffnung auf einen Durchbruch verbunden. Kim hatte in Singapur zwar seine grundsätzliche Bereitschaft zur "vollständigen Denuklearisierung" erklärt. Es gab aber keine konkreten Zusagen, bis wann Nordkorea sein Atomwaffen- und Raketenarsenal, das nicht nur von Nachbarländern wie Südkorea und Japan, sondern auch von den USA und anderen Ländern als Bedrohung wahrgenommen wird, abrüsten will.

So erwartet Moskau vom Treffen zwischen Trump und Kim konkrete Zusagen Pjöngjangs. Es gehe nun darum, wie bei dem Gipfel "praktische Vereinbarungen mit konkreten Daten, Fristen und Pflichten" getroffen werden könnten, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in einem am Sonntag veröffentlichten Interview dem vietnamesischen und chinesischen Fernsehen. Vor dem Gipfel hole sich die US-Seite wie auch Nordkorea Einschätzungen und Rat bei Russland sowie China.

Trumps Ziel ist es, Nordkorea zu einer vollständigen atomaren Abrüstung zu bewegen. Pjöngjang fordert von Washington glaubwürdige Sicherheitsgarantien und eine Lockerung von Sanktionen.

Erährungslage im Land "bedenklich"

Beim Gipfel könnten ebenfalls Nordkoreas Lebensmittelsicherheit und mögliche Wirtschaftshilfen Thema werden. Wegen einer Verschärfung der Lebensmittelknappheit hatte Nordkorea zuletzt die Vereinten Nationen um humanitäre Hilfe gebeten.

Die Ernährungslage in dem Land sei "bedenklich", sagte eine Sprecherin der Welthungerhilfe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. "Die Regierung hat angekündigt, die Tagesration auf 300 Gramm zu kürzen." Das sei eine Halbierung. Die Welthungerhilfe wolle jetzt in den Provinzen, wo sie tätig ist, eigene Daten erheben, schreibt Zeitung.

KOMMENTARE (1)

Peter Lüdin

Man muss froh und dankbar sein für jedes dieser Treffen. Zwischen Staaten ist die Alternative zu reden bekanntlich schiessen. Also sollten solche Treffen möglichst oft stattfinden. Und das ungestört. Nebenbei: Europäische Staaten sitzen nicht mit am Tisch, weil sie nichts beizutragen haben zu den Problemen der Welt, nicht mal zu den Problemen, die sie selbst verursachen.
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