Die Drohnen seien abgeschossen worden, sagte der Chef der russischen Atombehörde Alexej Lichatschow am Freitag vor der Presse. "Aber eine Reihe von Trümmern ist herabgestürzt und hat eine Verteilereinrichtung beschädigt." Als Vorsichtsmaßnahme seien zunächst drei Reaktorblöcke vom Netz genommen und auf weniger als die halbe Leistung gedrosselt worden. Nach der Reparatur arbeite das AKW inzwischen aber wieder mit voller Kapazität.
Mindestens 30 Verletzte
Die russische Armee habe mit etwa 430 Drohnen und 18 Raketen angegriffen, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Freitag auf X nach dem Angriff auf mehrere mehrstöckige Wohnblocks in Kiew. Es habe sich um eine gezielte Attacke gehandelt, "die dazu diente, den Menschen und der zivilen Infrastruktur maximalen Schaden zuzufügen".
Mindestens 30 Menschen wurden den Behörden zufolge verletzt. Andere Quellen sprachen von mindestens 35 Verletzten. Auch ein Krankenhaus, Geschäfte, Büros sowie die Botschaft Aserbaidschans wurden demnach getroffen. Dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko zufolge fielen in Teilen der Stadt die Heizungen aus.
Es war einer der heftigsten Angriffe auf Kiew seit Kriegsbeginn. Die Armee erklärte, 405 Drohnen und sämtliche Raketen abgeschossen zu haben. Während Selenskyj auf X von 18 Raketen Richtung Kiew sprach, gab die Armee an, 19 Raketen zerstört zu haben.
Die Luftverteidigung, mit der es zuvor Probleme gegeben habe, habe gut funktioniert, erklärte ein Behördenvertreter. So seien weitere Schäden abgewendet worden. Der Angriff zeigt demnach, dass Russland begonnen habe, "deutlich mehr ballistische Raketen einzusetzen", welche besonders schwer abzufangen seien.
Auch Botschaft Aserbaidschans getroffen
In der Hauptstadt wurde auch die Botschaft Aserbaidschans von Trümmern einer Rakete getroffen. Das Außenministerium in Baku reagierte verärgert und bestellte nach eigenen Angaben den russischen Botschafter ein. Infolge der Explosion wurde demnach ein Teil einer Wand der Botschaft vollständig zerstört. Außerdem gebe es unter anderem Schäden an Fahrzeugen und dem Verwaltungsgebäude. Es sei auch an vorherige Vorfälle erinnert worden und daran, dass Baku Moskau die Koordinaten seiner Botschaft in Kiew zuvor habe zukommen lassen. All das werfe Fragen über einen absichtlichen Charakter der Angriffe auf, hieß es in der Mitteilung.
Kiew war Selenskyj zufolge das Hauptziel der Attacke, aber auch die Region um die Hauptstadt und die Gebiete Charkiw wurden getroffen. In der Region Sumy sei nach vorläufigen Angaben eine Hyperschall-Rakete vom Typ Zirkon zum Einsatz gekommen.
Selenskyj forderte einmal mehr weitere Sanktionen gegen Russland. Die Ukraine brauche außerdem eine Verstärkung der Flugabwehr mit zusätzlichen Systemen und Abfangraketen, forderte er erneut. Zugleich teilte er mit, dass die Ukraine bei Gegenschlägen mit ihren weitreichenden Neptun-Marschflugkörpern Ziele im russischen Hinterland getroffen habe. Die Schläge würden immer zielgenauer und erfolgreicher. "Und das ist unsere völlig gerechte Antwort auf Russlands andauernden Terror", sagte er.
In der südlichen Region Odessa wurden unterdessen nach Angaben von Gouverneur Oleh Kiper zwei Menschen getötet und sieben weitere verletzt. Russland habe einen Markt in der Stadt Tschornomorsk angegriffen, so Kiper auf Telegram.
Russland, das im Februar 2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte, hat in den vergangenen Monaten die Luftangriffe verstärkt. Moskau nimmt dabei insbesondere ukrainische Energieanlagen und das Eisenbahnnetz ins Visier, aber auch Wohngebiete.
216 ukrainische Drohnen über Russland
Indes wehrte die russische Armee nach Angaben des Verteidigungsministeriums in der Nacht auf Freitag 216 ukrainische Drohnen ab. Allein 66 Drohnen seien über der Schwarzmeerregion Krasnodar niedergegangen, 45 über der etwas weiter nördlich gelegenen Region Saratow, erklärte das Verteidigungsministerium am Freitag auf Telegram.
Das russische Verteidigungsministerium teilte außerdem mit, in der südlichen Region Kursk würden Minenräumer aus Nordkorea eingesetzt. Nachdem Spezialeinheiten aus Nordkorea zuvor "einen wichtigen Beitrag zur Niederlage des Feindes" geleistet hätten, seien nun Minenräumer in der Region an der Grenze zur Ukraine im Einsatz, hieß es am Freitag in der offiziellen Zeitung des russischen Verteidigungsministeriums, "Krasnaja Swesda" (Roter Stern). Demnach wurden die nordkoreanischen Minenräumer in Russland ausgebildet. Nach der Vertreibung der ukrainischen Truppen aus Kursk befänden sich in der Region weiterhin "Hunderte" Minen.
Russland hatte im Juni angekündigt, der Verbündete Nordkorea werde mehrere tausend Minenräumer und Arbeiter der nordkoreanischen Armee zum Wiederaufbau nach Kursk schicken. Seit September wurden nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes rund 5.000 nordkoreanische Soldaten entsandt. Die ukrainische Armee hatte einen kleinen Teil der Region Kursk monatelang besetzt gehalten.
(Quelle: APA/dpa/AFP/Reuters)
