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Algerien kommt auch nach Präsidenten-Rückzug nicht zur Ruhe

Nach der Rückzugsankündigung von Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika sind in der Nacht auf Dienstag wieder zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen. Autofahrer veranstalteten Hupkonzerte, Demonstranten schwenkten Nationalflaggen. Oppositionelle und Aktivisten warnten vor übertriebener Freude und kritisieren, dass Bouteflika per Dekret seine Amtszeit auf unbestimmte Zeit verlängert habe.

In Algerien gab es zuletzt heftige Proteste
In Algerien gab es zuletzt heftige Proteste

Am Montagabend hatte Bouteflika überraschend angekündigt, auf eine weitere Amtszeit zu verzichten. Die für den 18. April geplante Präsidentschaftswahl werde verschoben, hieß es in einer Erklärung des Präsidenten. Die Ankündigung, erneut zur Wahl antreten zu wollen, hatte zu den größten Massenprotesten in Algerien seit mehr als 20 Jahren geführt.

Noch am Abend hatte Bouteflika per Dekret das Wahlkomitee von dessen Aufgaben entbunden. Eine nationale Konferenz solle mögliche Reformen beraten, eine neue Verfassung ausarbeiten und einen Termin für die nächste Präsidentschaftswahl festlegen.

Zudem reichte Premierminister Ahmed Ouyahia seinen Rücktritt ein. Der bisherige Innenminister Noureddine Bedoui wurde vom Präsidenten als neuer Premierminister eingesetzt und mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

Bouteflika selbst traf sich mit dem Stabschef der Armee, General Gaed Salah, und dem altgedienten algerischen Diplomaten Lakhdar Brahimi. Der frühere Außenminister und ehemalige UNO-Sondergesandte Brahimi genießt großen Respekt in Algerien und gilt als eine Persönlichkeit, auf die das Militär auf der Suche nach einem Garanten für die Stabilität des Landes setzen könnte. "Die Stimme des Volkes wurde gehört", sagte er nach seinem Treffen mit Bouteflika im staatlichen Fernsehen. "Junge Leute sind auf die Straße gegangen, haben sich verantwortungsbewusst verhalten und ein gutes Bild unseres Landes abgeliefert. Wir müssen diese Krise in einen konstruktiven Prozess umwandeln."

In Bouteflikas Erklärung hieß es, er betrachte es als seine letzte Aufgabe, zur Schaffung einer neuen Republik und eines neuen Systems beizutragen, das "in den Händen neuer Generationen von Algeriern" liegen werde. Eine Nationalversammlung solle den Übergangsprozess steuern, eine neue Verfassung entwerfen und das Datum für Wahlen festlegen. Sie solle ihre Arbeit bis Ende 2019 vollenden, die Wahlen sollten danach stattfinden. Den Vorsitz über die Versammlung solle eine "unabhängige, unumstrittene und erfahrene Persönlichkeit" übernehmen.

In den vergangenen drei Wochen hatte es heftige Proteste gegen Bouteflika gegeben, nachdem er angekündigt hatte, für eine fünfte Amtszeit kandidieren zu wollen. Bouteflika war erst am Sonntag von einem längeren Krankenhausaufenthalt in der Schweiz nach Algerien zurückgekehrt. Der 82-Jährige ist gesundheitlich angeschlagen und sitzt seit einem Schlaganfall im Jahr 2013 im Rollstuhl. Er trat zuletzt kaum noch in der Öffentlichkeit auf.

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