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Angriffe auf Millionenstädte Charkiw und Kiew dauern an

Die russische Armee hat am sechsten Tag ihres Angriffskrieges die massiven Angriffe gegen die beiden größten ukrainischen Städte Charkiw und Kiew fortgesetzt. Bei Raketeneinschlägen auf das Zentrum in Charkiw wurden laut einem Berater des ukrainischen Innenministeriums mindestens zehn Menschen getötet. Für Besorgnis sorgt auch ein über 60 Kilometer langer russischer Militärkonvoi vor Kiew. Russland bestätigte, den Angriff fortzusetzen, "bis die gesetzten Ziele erreicht sind".

Raketeneinschlag auf dem zentralen Freiheitsplatz in Charkiw
Raketeneinschlag auf dem zentralen Freiheitsplatz in Charkiw

"Die Gruppierung der Streitkräfte der Russischen Föderation führt weiterhin eine Spezial-Militäroperation durch, bis die gesetzten Ziele erreicht sind", sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu am Dienstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Das Wichtigste sei, Russland "vor der militärischen Bedrohung durch westliche Länder zu schützen, die versuchen, das ukrainische Volk im Kampf gegen unser Land einzusetzen", so Schoigu weiter.

Er warf der Ukraine vor, mehrere Raketensysteme, Kanonen und Mörser "in den Höfen von Wohngebäuden, in der Nähe von Schulen und Kindergärten" aufgestellt zu haben. "Während militärischer Zusammenstöße zögert die ukrainische Seite nicht, Zivilisten als menschliches Schutzschild zu missbrauchen", behauptete der Vertraute von Präsident Wladimir Putin.

"Russland führt Krieg unter Verletzung des humanitären Völkerrechts", twitterte indes das ukrainische Außenministerium nach den Raketeneinschlägen in Charkiw, bei denen mindestens zehn Menschen getötet und 35 verletzt wurden. Es warf Russland zudem vor, Zivilisten zu töten und zivile Infrastruktur zu zerstören. Die Angaben beider Seiten sind nicht unabhängig zu überprüfen.

In der südukrainischen Stadt Cherson soll nach Angaben des staatlichen Informationsdiensts der Ukraine ebenfalls ein Angriff begonnen haben. Die strategisch bedeutende Hafenstadt Mariupol im äußersten Südosten des Landes war am Dienstag in der Früh weiterhin unter der Kontrolle der ukrainischen Armee, doch nach einem russischen Luftangriff fast ohne Stromversorgung. Es gebe auch Internet- und Mobilfunkausfälle.

Ihor Terechow, Bürgermeister von Charkiw, berichtete infolge der Sprengungen von Problemen bei der Strom- und Wasserversorgung der Stadt. Zuvor hatte er von 87 beschädigten Wohngebäuden, neun Toten und 37 Verletzten gesprochen. "Der heutige Tag hat gezeigt, dass das nicht einfach Krieg ist. Das ist die Ermordung von uns, dem ukrainischen Volk", sagte er in einer Videobotschaft. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete die Vorgänge in Charkiw als Kriegsverbrechen. "Es wird definitiv ein Tribunal für dieses Verbrechen geben. Ein internationales. Das ist ein Verstoß gegen alle Konventionen", meinte er in einem Video.

In der Region Kiew wurden am Montagabend ein Wohnheim und zwei fünfstöckige Wohnhäuser zerstört, berichteten die Behörden. Die Gebäude befanden sich in den Städten Wasylkiw, Bila Zerkwa im Südwesten Kiews sowie in der Siedlung Kalyniwka in Nordwesten der Stadt. Angaben über mögliche Opfer wurden von den Behörden nicht gemacht.

Bei russischen Luftangriffen am Montag wurden fünf Kampfflugzeuge und ein Hubschrauber abgeschossen, berichtete die "Ukrainska Pravda" am Dienstag unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Die Abschüsse auf die Kampfflugzeuge seien während der Luftangriffe auf Wassylkiw und Browary im Kiewer Umland erfolgt, hieß es. Auch ein Marschflugkörper und ein Hubschrauber seien in der Nähe von Kiew abgeschossen worden.

Der US-Sender CNN berichtete am Montagabend (Ortszeit) unter Berufung auf Militärexperten, dass der Sturm auf die Hauptstadt unmittelbar bevorstehen könnte. Allerdings könnte die Armee auch versuchen, einen Belagerungsring um die Stadt zu bilden. Für Besorgnis sorgten auch Erkenntnisse des auf die Analyse von Satellitenbildern spezialisierten US-Unternehmens Maxar, wonach der russische Armeekonvoi im Nordwesten der Stadt mit 40 Meilen (64 Kilometer) mehr als doppelt so lang ist als bisher angenommen.

Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko sagte auf die Frage, wie lange die Stadt dem russischen Druck standhalten könne: "So lange wir am Leben sind." Es gebe nämlich eine unglaubliche Einigkeit in der Bevölkerung, die "nicht zurück in die Sowjetunion" wolle. "Wir sehen unsere Zukunft als modernes europäisches Land. Das ist unser Ziel", betonte er.

In der ostukrainischen Region Sumy sollen nach Angaben aus Kiew indes 70 Soldaten der ukrainischen Armee bei einem Angriff durch Mehrfachraketenwerfer getötet worden sein. Wie das ukrainische Parlament am Dienstag twitterte, war eine Armee-Einheit in der Kleinstadt Ochtyrka von russischen Kräften beschossen worden. Ochtyrka liegt zwischen Charkiw und Kiew. Das ukrainische Parlament zitierte in seinem Tweet den Chef der Gebietsverwaltung von Sumy, Dmytro Schywyzkyj. Dieser teilte auf seinem Telegram-Kanal Bilder eines ausgebrannten vierstöckigen Gebäudes und von Rettungskräften im Einsatz.

Indes gab es neue Berichte, wonach die russischen Aggressoren Unterstützung von der belarussischen Armee bekommen könnten. Das ukrainische Militär berichtete am Montag, dass schon belarussische Truppen in Richtung Ukraine unterwegs sind. Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko wies dies zurück. Belarus habe keine Pläne, sich an der russischen Militäroperation in der Ukraine zu beteiligen, sagte er der staatlichen Nachrichtenagentur Belta zufolge.

KOMMENTARE (3)

Peter Lüdin

Die Russen können eigentlich froh sein, dass sich die USA/NATO zurückhält. Wenn die USA/NATO wollen, dann zerlegen die die russischen Konvois in Kürze wie bei der Operation Desert Storm im Irak.
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Anna Gruber

Europäische und österreichische sozialdemokratische Ex-Kanzler wie Schröder oder Gusi, die in Russland für ihre Beraterjobs gut bezahlt werden, haben mit ihrer relativierenden Haltung den Diktator Putin geradezu ermutigt keine Rücksicht auf das Völkerrecht zu nehmen und in die Ukraine einzumarschieren.
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Peter Lüdin

Glücklicherweise hat V. Putin keine Verbündete bei diesem Irrsinn, ausser einigen Leuten in Luhansk, Donbas, Belarus und Syrien. Frei drehende Gangster unter sich. So schlimm das alles ist, es hängt jetzt viel von China ab. Welche Haltung werden sie einnehmen. Denn neutral werden sie sich hier nicht raushalten können.
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