Auch bei der Labour Party geht es weiter drunter und drüber. Ein weiterer Labour-Abgeordneter des britischen Parlaments verlässt die größte Oppositionspartei. Ian Austin ist damit der neunte Parlamentarier, der binnen weniger Tage Labour-Chef Jeremy Corbyn aus Protest den Rücken kehrt. Austin wirft den britischen Sozialdemokraten eine "Kultur des Extremismus, Antisemitismus und der Intoleranz" vor. Unter Corbyn habe sich die Partei gewandelt.
Die Partei sei zwar sein Leben gewesen, sagte der Politiker der Zeitung "Express & Star". "Aber ich muss aufrichtig sein, und die Wahrheit ist, dass ich mich für Labour unter dem Vorsitzenden Jeremy Corbyn schäme." Die Partei gehe "schärfer gegen jene vor, die Antisemitismus beklagen als gegen die eigentlichen Antisemiten", sagte Austin. Corbyn hatte im vergangenen Sommer öffentlich eingeräumt, dass Disziplinarverfahren gegen antisemitische Parteimitglieder zu langsam und zaghaft betrieben worden seien.
Austin unterstützt, anders als andere aus der Partei ausgetretene Parlamentarier, den Brexit-Vertrag von Premierministerin May. Er hat nach eigenen Angaben derzeit auch keine Pläne, sich der neu gegründeten "Unabhängigen Gruppe" im Londoner Parlament anzuschließen. In dieser Gruppierung sind schon acht Abgeordnete, die die Labour Party aus Protest gegen Corbyns Führungsstil verlassen haben. Viele Kritiker werfen dem Parteichef auch vor, lange nicht klar Position zum Brexit bezogen zu haben. Er setzt auf Neuwahlen.
Drei EU-freundliche Politikerinnen der regierenden Konservativen haben sich ebenfalls der "Unabhängigen Gruppe" angeschlossen. Die Minderheitsregierung von Premierministerin May, die von der nordirischen DUP (Democratic Unionist Party) gestützt wird, ist praktisch auf jede Stimme angewiesen.
Corbyn hat am gestrigen Donnerstag nach Gesprächen in Brüssel vor einem Brexit ohne Austrittsabkommen gewarnt. Premierministerin May dürfe sich nicht weiter "von einer kleinen Gruppe in ihrer Partei als Geisel nehmen lassen", sagte der Labour-Chef nach einem Treffen mit EU-Unterhändler Michel Barnier.
May wird nach Angaben ihres Sprechers am Rande des EU-Gipfeltreffens mit der Arabischen Liga in Ägypten Brexit-Gespräche mit anderen EU-Spitzenpolitikern führen. Für Sonntag sei ein Treffen Mays mit EU-Ratspräsident Donald Tusk vorgesehen, sagte ein EU-Vertreter am Freitag in Brüssel. Ein Durchbruch in den Brexit-Gesprächen sei aber nicht zu erwarten. "Es wird keinen Deal in der Wüste geben", sagte der EU-Vertreter.
Das britische Unterhaus hatte das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen Mitte Jänner klar abgelehnt und rechtlich bindende Nachbesserungen an dem Vertrag gefordert. Dies lehnt die EU ab. Brexit-Hardliner in Mays konservativer Partei sind wiederum gegen einen Verbleib in einer Zollunion, weil dies aus ihrer Sicht eine eigene Handelspolitik Großbritanniens ausschließen würde.