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Ecuador-Proteste unter dem Motto "Topfschlagen gegen Lenin"

"Topfschlagen gegen Lenin" hat das Motto in der Nacht auf Sonntag in Ecuador gelautet. Zwar hatte Präsident Lenin Moreno am Samstag nach Ausschreitungen bei regierungsfeindlichen Protesten ein Ausgangsverbot verhängt, doch ließen sich viele verärgerte Bürger nicht einfach einsperren. Sie machten in der Metropole Quito und in anderen Städten ihrem Unmut mit einem veritablem "Cacerolazo" Luft.

Heftige Ausschreitungen in Ecuadors Hauptstadt Quito
Heftige Ausschreitungen in Ecuadors Hauptstadt Quito

Zigtausende zogen durch die Straßen und erzeugten mit mitgebrachten Kochtöpfen und Pfannen einen ohrenbetäubendem Lärm, wie Erich Preiss, ein in dem Andenstaat lebender Steirer der APA berichtete. Die "Cacerolazos" haben in Lateinamerika Tradition. Zu Zeiten schwerer Wirtschaftskrisen - oder während der Militärdiktaturen in Argentinien und Chile - machten so vor allem Frauen darauf aufmerksam, dass ihre Töpfe "leer" waren.

Am Sonntag wollte Präsident Lenin Moreno Abgesandte der Indigenen-Gruppe, die federführend an den Protesten beteiligt sind, zu Gesprächen empfangen. Dass diese Zusammenkunft eine Lösung bringen kann, bezweifelt der 54-jährige Österreicher, der seit fast 30 Jahren in dem lateinamerikanischen Staat in der Tourismusbranche arbeitet und die Landespolitik genau verfolgt.

Die Indigenen seien untereinander in mehrere Gruppen gespalten, die unterschiedliche Ziele verfolgen würden, erklärte Preiss in einem Telefonat mit der APA. Einen Konsens zu erzielen, dürfte unter diesen Umständen sehr schwer werden.

Die Unruhen in dem südamerikanischen Land hatten sich an stark gestiegenen Treibstoffpreisen entzündet. Die Demonstranten geben Moreno die Schuld an einer deutlichen Verteuerung der Treibstoffpreise, da er im März ein Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) abgeschlossen hatte. Ecuador sicherte sich damit milliardenschwere IWF-Kredite. Im Gegenzug wurde Morenos Regierung zur Auflage gemacht, die staatlichen Subventionen für Kraftstoff abzuschaffen.

Kritiker - an den Protesten beteiligen sich neben den Indigenen-Organisationen unter anderen auch Gewerkschaften, Studenten, Künstler und Intellektuelle - werfen Moreno auch vor, mit einer neoliberalen Politik einer schmalen Wirtschaftselite zu dienen und soziale Reformen seines Vorgängers Rafael Correa rückgängig gemacht zu haben.

Moreno beschuldigt Correa wiederum, die Proteste von seinem Exil in Belgien aus zu schüren und die Protestierenden insbesondere zu den gewaltsamen Ausschreitungen anzustacheln. Correa streitet dies vehement ab. Dem Machtkampf der beiden liegt auch eine Anklage wegen Korruption zugrunde, die der aktuelle Präsident gegen seinen Vorgänger durchgesetzt hatte. Dieser weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet die Aktion als "rein politisch motiviert".

Bei den Ausschreitungen kamen nach Behördenangaben bisher sechs Menschen ums Leben, 2.100 wurden verletzt. Hunderte Demonstranten wurden festgenommen. Ein Regierungsgebäude wurde schwer beschädigt.

An den Protesten beteiligen sich auch Tausende Indigene. Sie machen offiziell rund ein Viertel - laut NGO-Quellen aber sogar rund 40 Prozent - der 17,3 Millionen Einwohner des Landes aus. Seit 1998 sind der Schutz und die Rechte der Indigenen sowie der Afroecuadorianer an sich in der Verfassung verankert. Sie gehören aber großteils eher ärmeren Bevölkerungsschichten an, welche die deutliche Verteuerung der Spritpreise und andere soziale Einschnitte besonders trifft.

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