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Ein entschlossener Kritiker will gegen Putin antreten

Igor Strelkow führte im ukrainischen Donbass einen prorussischen Aufstand an, sitzt aber inzwischen im Gefängnis.

Igor Strelkow alias Igor Girkin kritisiert die „Kriegsspezialoperation“ des russischen Präsidenten Putin.
Igor Strelkow alias Igor Girkin kritisiert die „Kriegsspezialoperation“ des russischen Präsidenten Putin.

Er sei nicht naiv, erklärte der Häftling am Wochenende auf seinem Telegramkanal. "Jetzt in Russland am Präsidentschaftswahlkampf teilzunehmen, das ist, als würde man sich an einen Kartentisch mit Falschspielern setzen." Igor Strelkow alias Igor Girkin, Ex-FSB-Offizier, 2014 Anführer eines blutigen prorussischen Aufstandes im Donbass und seit Februar 2022 einer der heftigsten militärischen Kritiker der "Kriegsspezialoperation" Wladimir Putins in der Ukraine, will trotzdem kandidieren. Obwohl er seit Juli als mutmaßlicher Anstifter zum Extremismus in einer Moskauer U-Haftanstalt sitzt und er selbst erklärt, man werde ihn erst gar nicht zu diesen Wahlen zulassen. Aber seine Kandidatur könne alle Pläne durchkreuzen, Theaterwahlen mit einem im Voraus bekannten Sieger zu veranstalten. Schon die Bildung der Initiativgruppe zu seiner Nominierung biete die Chance, einen Sammelpunkt für alle wirklich patriotischen Kräfte zu schaffen. "Und das fürchten die Falschspieler am meisten!", sagt er.

Noch ist der Termin für die Präsidentschaftswahlen in Russland nicht offiziell. Aber der 17. März 2024 gilt als fast sicher. So wie die Teilnahme und Wiederwahl Wladimir Putins. Als wahrscheinliche Pro-Forma-Konkurrenten erwartet man drei kremltreue Figuren aus der Staatsduma. Jüngste Umfragen konstatieren Putin eine Vertrauensrate von 79 bis 82 Prozent.

Vor seiner Festnahme hatte Strelkow auf seinem Telegramkanal Putin als Oberbefehlshaber frontal angegriffen, unter anderem als "talentlosen Feigling". Aber obwohl sich der Untersuchungshäftling schon im August als Kandidat in Stellung brachte, der militärisch kompetenter und charakterlich härter als Putin sei, betrachtet ihn auch sein Telegram-Publikum eher als kritischen Kommentator denn als politischen Führer. Seit seiner Verhaftung postet er nur noch sporadisch, die Abonnentenzahl seines Kanals rutschte in dieser Zeit von 875.000 auf 616.000.

Mehrere Experten vermuten deshalb, die Kandidatur des Rechtsradikalen könnte dem Kreml in die Karten spielen. Wenn Strelkow und Nadeschdin jeweils nur einen halben Prozent Stimmen erhielten, sei das ein Beweis dafür, dass liberale und ultranationalistische Oppositionelle in Putins Russland nur noch marginale Randgruppen seien, sagt der Politologe Leonid Gosman. Aber sein Kollege Jurij Korgonjuk glaubt, das gelte nur für den Liberalen Nadeschdin. "Strelkows Kandidatur ist für den Kreml auf keinen Fall interessant. Wenn er als glühender Militarist schlecht abschneidet, signalisiert das sinkenden Kampfgeist in der Bevölkerung." Erhalte er aber viele Stimmen, hätte Putin plötzlich einen Konkurrenten im eigenen Lager.

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