Begründet wurde die Ablehnung des Gesprächsangebots neben dem "ultimatumartigen Sprachstil" auch mit den von der wirtschaftsliberalen Reformpartei geforderten Änderungen im Steuersystem. Dazu zählt ein monatlicher Steuerfreibetrag von 500 Euro. "Wir sehen keine Möglichkeit für Verhandlungen", sagte Parteichef Jüri Ratas estnischen Medienberichten zufolge.
Die Reformpartei bezeichnete das Nein der Zentrumspartei und deren Rechtfertigung als "merkwürdig". "Die Suche nach Gemeinsamkeiten wurde bereits vor Beginn der Verhandlungen ausgeschlossen", sagte die Parteivorsitzende Kaja Kallas. Über das weitere Vorgehen werde nun der Vorstand der bisherigen Oppositionskraft entscheiden.
Bei der Parlamentswahl am Sonntag wurde die Reformpartei mit 34 von 101 Sitzen stärkste Kraft vor der bisher regierenden Zentrumspartei (26 Sitze). Dahinter folgte die rechtspopulistische Estnische Konservative Volkspartei (EKRE) mit 19 Sitzen vor der konservativen Partei Isamaa (12 Sitze) und Sozialdemokraten (10 Sitze), den beiden bisherigen Juniorpartnern der Zentrumspartei.
Die Reformpartei und die Zentrumspartei sind die beiden führenden politischen Kräfte seit der wiedererlangten Unabhängigkeit Estlands von der Sowjetunion im Jahr 1991. Neben der großen Koalition hielten Politologen nach der Wahl auch ein Bündnis von Kallas' Reformpartei mit Isamaa und den Sozialdemokraten für möglich. Auch EKRE gibt die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung trotz Ablehnung durch die etablierten Parteien nicht auf.