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EU-Gipfel stimmt neuen Sanktionen gegen Russland zu

Russland soll keine westliche Technologie mehr erhalten und keinen Zugang zum Kapitalmarkt. Auch Visa-Erschwernisse kommen. Reicht das, um den Krieg zu stoppen?

Kanzler Nehammer beim EU-Gipfel - Die Union zeigt Härte
Kanzler Nehammer beim EU-Gipfel - Die Union zeigt Härte

In Brüssel löste am Donnerstag ein Krisengespräch das andere ab. Gegen 20 Uhr kamen dann alle 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zusammen. Die Polizei hatte das EU-Viertel im Rekordtempo in die für Gipfeltreffen übliche Sicherheitszone verwandelt. Von langer Hand vorbereitet war dagegen das Papier, das die Gipfelteilnehmer zur Beratung auf den Tisch bekamen: das Sanktionenpaket.

"Wir werden Russlands ökonomische Grundlage und Modernisierungsfähigkeit schwächen." Das kündigte Ursula von der Leyen an. Die Kommissionspräsidentin und die übrigen Gipfelteilnehmer ließen keinen Zweifel daran, dass es diesmal nicht damit getan ist, Politiker, Unternehmen und Organisationen auf die Sanktionsliste zu setzen. Russlands Präsident Wladimir Putin soll für den Angriff auf die Ukraine die härtesten Konsequenzen erleben, die die Europäische Union je ausgesprochen hat, so der Tenor. Wobei die schärfste wirtschaftspolitische Waffe, nämlich der Ausschluss des Rubels aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT noch nicht zum Einsatz kommt.

Aber auch die anderen Konsequenzen haben es in sich. Sie bestehen aus drei Komponenten - Technologiestopp, Visa-Erschwernissen und Finanzsanktionen. So einig waren sich die 27 Staatenlenker, dass sie die Sanktionsliste innerhalb von noch nicht einmal zwei Stunden abnickten.

Erstens: Die EU will keine Technologie mehr nach Russland liefern, die für die dortige Wirtschaft eine Schlüsselfunktion hat. Das sind so gut wie alle Hightechprodukte von Mikrochips bis zu Autos. Vor allem soll die russische Rüstungsindustrie von wichtigen Bauteilen abgeschnitten werden.

Zweitens: Die Reisefreiheit soll für Russen eingeschränkt werden. Sie werden es schwieriger haben, ein Visum zu erhalten.

Drittens: "Wir werden die russischen Gelder in der Europäischen Union einfrieren und den Zugang russischer Banken zu den europäischen Kapitalmärkten stoppen", kündigte von der Leyen an. Das Ziel sei, "die Oligarchen, die ihr Vermögen in der Europäischen Union geparkt haben, zu treffen", wie Kanzler Karl Nehammer ausführte.

Zudem soll die Refinanzierung von russischen Staatsunternehmen in der EU verhindert werden. Ihre Aktien sollen nicht mehr in der EU gehandelt werden. Ähnliches ist für den Energiesektor geplant.

Von der Leyen umriss die Folgen der Sanktionen für Russland in drastischen Worten: Das Wirtschaftswachstum werde gebremst, dafür würden Kreditkosten, Inflation und Kapitalabflüsse steigen.

Als sie das sagte, stand die Kommissionschefin an der Seite von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Es war eines der vielen Bilder des Tages aus Brüssel, die die Geschlossenheit Europas und des Westens symbolisieren sollten: "Wir sind vereinter und entschlossener denn je", sagte von der Leyen und betonte, dass die EU bei den Sanktionen im Gleichschritt mit den USA, Großbritannien, Kanada, Australien, Japan und anderen Verbündeten vorgehe.

Über die Frage, wie weit die Sanktionen gehen sollten, gab es durchaus noch Meinungsunterschiede. So war bezeichnenderweise zunächst noch keine Rede davon, die Rohstoffimporte aus Russland zu stoppen. Zu abhängig sind viele EU-Länder von Putins Gas, Öl und Kohle. So hatte sich zuletzt der italienische Regierungschef Mario Draghi dagegen ausgesprochen, den Energiesektor mit in die Sanktionen aufzunehmen. Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hat diese Woche hingegen das Genehmigungsverfahren für die Ostseepipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt.

Den Regierungschefs von Polen und Slowenien sind Sanktionen insgesamt nicht genug. Die EU müsse "viel weiter gehen" und die Ukraine bis 2030 als Mitglied aufnehmen. "Wenn wir uns nicht erweitern, dann tun es andere", hatten Mateusz Morawiecki und Janez Janša erklärt - nur wenige Stunden bevor die ersten russischen Bomben auf die Ukraine fielen. Als Jansa zum Gipfel eintraf, trug er zum Zeichen der Unterstützung der Ukraine eine Krawatte in den Landesfarben Blau und Gelb.

Vera Jourová, die aus Tschechien stammende Vizepräsidentin der EU-Kommission, äußerte in einem Interview in ihrer Heimat einen anderen Wunsch: Der Erste, der auf die Sanktionsliste gehöre, sei Wladimir Putin selbst. Tatsächlich fehlt der Name des Kriegsherrn im Kreml bisher.