Die bei Guaidos Rückkehr nach Caracas ausgebliebene Festnahme wertete Davila als Zeichen der Schwäche des Regimes. Die Grenzbeamten am Flughafen hätten Guaido am Montag willkommen geheißen statt ihn festzunehmen, betonte der Emissär, der in Wien von Spitzenbeamten im Außenministerium und Bundeskanzleramt empfangen worden war. "Das heißt nicht, dass die Gefahr vorüber ist", warnte Davila. "In seiner Schwäche wird das Regime nämlich auch gefährlicher, deshalb sollte man vorsichtig sein." Guaido halte sich daher an einem unbekannten Ort in Caracas auf und müsse "geschützt" werden, auch wenn er täglich öffentliche Auftritte absolviere.
Auf die Frage, ob eine Festnahme Guaidos das Ende des Maduro-Regimes wäre, sagte Davila: "Hoffentlich muss es nicht so weit kommen, damit das Regime endet." Für diesen Fall habe Guaido schon zu dauerhaften Demonstrationen aufgerufen. "Wenn sie ihn festnehmen, wird dass die Bewegung nicht stoppen", betonte der Emissär. Guaido habe sein Amt nämlich Kraft seiner Funktion als Parlamentspräsident, erläuterte er. Könne er sein Amt nicht mehr ausüben, werde ein anderer Abgeordneter nachrücken. "Wenn Guaido festgenommen wird, oder ihm etwas passiert, dann wird es eine andere Person geben."
An eine rasche Lösung der politischen Krise glaubt Davila nicht. Die Organisation von Neuwahlen brauche wegen der erforderlichen Gesetzesänderungen mehrere Monate, Grundvoraussetzung dafür sei aber der Machtverzicht Maduros. Jedenfalls müssten die Wahlen unter starker internationaler Beobachtung stattfinden.
Davila trat der Darstellung entgegen, dass Guaido ein "selbsternannter" Präsident sei. "Er hat sich nicht selbst ernannt, es war das Parlament." Auch gelte die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft nicht ihm persönlicht, sondern dem Prozess der Demokratisierung. "Das ist wichtig. Es geht nicht darum, Maduro durch einen anderen Führer zu ersetzen", betonte Davila. Vielmehr soll es Neuwahlen geben, wobei noch nicht ausgemacht sei, ob Guaido überhaupt antrete. "Die Dinge in Venezuela können sich von einem Tag auf den anderen ändern", sagte der Emissär.
Das vom Parlament erlassene Amnestiegesetz solle für alle Teile des Regimes gelten, "die die Verfassung akzeptieren". "Das Land muss ein neues Kapitel aufschlagen", begründete Davila die Maßnahme. So soll etwa auch die regierende sozialistische Partei weiter bestehen und an Wahlen teilnehmen dürfen. Keine Amnestie solle es aber gegen diejenigen geben, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten, sagte er in Anspielung auf Spitzenvertreter des Regimes wie Maduro. "Je länger das andauert und je mehr kriminelle Handlungen es gibt, umso komplizierter wird es für sie. Sie binden sich hier die Hände."
Zurückhaltend äußerte sich Davila zu einer möglichen militärischen Intervention zugunsten der venezolanischen Opposition. Er verwies diesbezüglich auf die Blockade im UNO-Sicherheitsrat, der eine militärische Intervention beschließen müsste. Man setze vielmehr auf internationalen Druck und Sanktionen ,vor allem aber auch wiederholte politische Erklärungen verschiedener Staaten. "Das macht dem Regime klar, dass es mit keinerlei internationaler Unterstützung rechnen kann. Das ist wesentlich."
Davila trat auch Befürchtungen entgegen, dass die Opposition die sozialpolitischen Errungenschaften des Chavismus rückgängig machen könnte. Es gebe "Konsens" unter den politischen Kräften der Opposition, die Sozialpolitik zur Priorität zu machen. "Wir sehen die Armut tagtäglich, es fehlt an allem." Es werde keine Schocktherapie geben, sondern staatliche Unterstützungsleistungen. Davila räumte ein, dass der frühere sozialistische Präsident Hugo Chavez am Anfang deshalb so viel Unterstützung gehabt habe, "weil er das Problem der Armut und der Ungleichheit auf den Tisch gelegt hat". Mit der großen Unterstützung, die er hatte und den Milliarden-Öleinnahmen hätte Chavez "Wunder wirken" und "Venezuela zum Land mit dem größten Wohlstand und Reichtum der Welt machen können", sagte Davila. Tatsächlich sei das Problem der Ungleichheit "immer noch da, und schlimmer denn je", kritisierte er.
"So schnell wie möglich" will Davila offiziell als venezolanischer Botschafter in Wien anerkannt werden. Er äußerte aber Verständnis für die Position, ihn zunächst nur als Emissär Guaidos anzusehen. Schließlich wolle die EU diesbezüglich eine einheitliche Position wahren, außerdem komme im Fall Wiens hinzu, dass der Botschafter auch Vertreter bei den internationalen Organisationen sei. "Wir verstehen die komplizierte Lage", sagte Davila. "Wir sind sehr dankbar für das Verständnis und die Solidarität Österreichs. Ohne die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft können wir nicht vorankommen, und Österreich spielt hier eine sehr wichtige Rolle."
Das Gespräch führte Stefan Vospernik/APA