Den ersten Vortrag hielt die nigerianische Ordensoberin Veronica Openibo, sie sprach über "Offenheit zur Welt hin als Folge der kirchlichen Sendung". "Wir dürfen Missbrauchsfälle nicht verheimlichen. Zu oft wollen wir ruhig bleiben, bis sich der Sturm gelegt hat. Doch der Sturm wird sich nicht legen. Auf dem Spiel steht unsere Glaubwürdigkeit", sagte Openibo. "Derzeit erleben wir einen Zustand der Krise und der Schande."
Am frühen Samstagabend findet in der Sala Regia im Apostolischen Palast die Bußliturgie statt, am Sonntagvormittag die Heilige Messe. An ihrem Ende wird der Papst das Wort ergreifen. An dem viertägigen Anti-Missbrauchsgipfel, der am Donnerstag im Vatikan begonnen hat und bis Sonntag läuft, beteiligen sich 190 offizielle Teilnehmer. Österreich wird durch Kardinal Christoph Schönborn vertreten. Abstimmungen oder Beschlüsse über Papiere sind nicht vorgesehen.
Die Teilnehmer an der Konferenz betrachten das Gipfeltreffen als "Wendepunkt" im Einsatz der Kirche gegen Kindermissbrauch. "Das Zuhören in einem Klima des gegenseitigen Respekts führt zu großen Resultaten", sagte der Moderator der Konferenz, Pater Federico Lombardi. In den wenigen Tagen des Gipfels sei das Bewusstsein für die Notwendigkeit, effiziente Strategien im Kampf gegen Kindesmissbrauch umzusetzen, stark gewachsen. Die Gipfelteilnehmer seien von den Zeugnissen der Missbrauchsopfer zutiefst bewegt, so Lombardi weiter.
Besprochen wurde auch das Thema einer genaueren Prüfung der Seminaristen. Alle Aspekte ihrer Persönlichkeit sollten genau beleuchtet werden. Kandidaten, die von einem Seminar abgelehnt worden seien, dürften nicht von einem anderen aufgenommen werden, hieß es beim Gipfeltreffen.
Inzwischen demonstrierten Vertreter von Missbrauchsopfern unweit des Vatikans. Sie forderten vom Papst und den Kirchenoberen konkrete Ergebnisse am Ende der Konferenz.
Seit dem Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus im März 2013 trafen im Vatikan 2.200 neue Anzeigen wegen Kindesmissbrauchs durch Geistliche ein. Dies berichtet das italienische Nachrichtenmagazin "L'Espresso". Auszüge aus der Reportage wurden von der römischen Tageszeitung "La Repubblica" veröffentlicht.
Seit 2010 sei die Zahl der Anzeigen im Vatikan kontinuierlich gestiegen. "Dieser Trend könnte ein stärkeres Vertrauen in die kirchliche Justiz seitens der Opfer bezeugen", erklärte der Autor der Reportage, der bekannte italienische Enthüllungsjournalist Emiliano Fittipaldi, der Zahlen aus dem Disziplinarbüro der Glaubenskongregation veröffentlichte. Allein 2017 seien im Vatikan 410 Anzeigen eingetroffen, die von der Glaubenskongregation als "glaubwürdig" betrachtet werden. 2016 waren es 415 Anzeigen. In jenem Jahr seien 16 Priester wegen Missbrauchs laisiert worden. 2015 waren im Vatikan 518 Kindesmissbrauchsfälle angezeigt worden, 2014 waren es circa 500, im Jahr 2013 401.