"Es war ein sympathisches, kurzes, ich muss sagen sehr angenehmes Gespräch", berichtete die Außenministerin über das Treffen mit Netanyahu weiter. "Ich habe die Arbeiten seines Vaters, der ein bekannter Historiker war, immer mit großem Interesse verfolgt. Sein Vater starb erst vor ein paar Jahren im hohen Alter von 102 Jahren", sagte Kneissl. "Er (Netanyahu, Anm.) hat sich auch sehr positiv über den Bundeskanzler geäußert, über seine Kontakte mit ihm und wir haben uns über israelische Zeitgeschichte kurz unterhalten. Es war ein unerwartetes, aber ich muss sagen ein sehr solides und sympathisches Zugehen seinerseits."
Dass es offiziell keine Kontakte zwischen der israelischen Regierung und FPÖ-Ministern einschließlich der von der FPÖ nominierten parteifreien Außenministerin gibt, habe Netanyahu "nicht thematisiert". Für Kneissl sei dies "eine inner-israelische Entscheidungsfindung. Israel befindet sich im Wahlkampf und ich bin der festen Überzeugung: israelische Regierungschefs, Mitglieder der Regierung, haben ganz andere Sorgen, als, in welchem Umfang sie mit Karin Kneissl wann und zu welchem Thema sich treffen."
In München traf Kneissl nach Angaben ihrer Sprecherin US-Vizepräsident Mike Pence, die Chefin der oppositionellen Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, EU-Brexit-Verhandler Michel Barnier, die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, Fatou Bensouda, und die amtierende Direktorin der Weltbank, Kristalina Georgiewa. Außerdem sprach Kneissl mit ihrem nordmazedonischen Amtskollegen Nikola Dimitrov sowie dem US-Sondergesandten für Syrien, James Jeffrey, und der US-Präsidentenberaterin für Russland, Fiona Hill.
Kneissl sprach auch die viel beachtete Rede der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in München an. "Mit großem Interesse habe ich der Rede der deutschen Kanzlerin gelauscht, die ganz klar Kante gezeigt hat, was ein europäischer Beitrag zur Sicherheitspolitik sein muss. Das wesentliche ist, im Gespräch zu bleiben", sagte sie. Kneissl verwies auch auf den "multilateralen Rahmen, den wir alle brauchen. Wir können nicht aneinander vorbei reden, wir müssen mit einem Partner wie Russland in permanentem Dialog bleiben."
Angesprochen auf Merkels Kritik an der US-Politik in Syrien und dem Iran erklärte Kneissl, dass "der starke Druck, der auf westliche Firmen ausgeübt wird im Sinne von 'ihr dürft nicht im Iran investieren', welcher sich seit letzten Mai verstärkt hat" (...) "auf eine Stärkung jenes wichtigen Akteurs hinausläuft, den gerade die US-Administration auf ihrem Radar hat, nämlich China". Chinesische Konzerne würden im Iran einsteigen, wo westliche Unternehmen aussteigen und sich nicht niederlassen. Erneut betonte Kneissl, am Iran-Atomabkommen festzuhalten. Das Dokument verstehe sie "in erster Linie als ein Abrüstungs-Abkommen, nicht als echten völkerrechtlichen Vertrag". Allerdings habe sich das Abkommen nicht so realisiert, wie sich das viele westliche Firmen erwartet und erhofft hätten.
Zu den Aussagen des US-Vizepräsidenten Pence in München, der davor gewarnt hatte, dass der Iran einen neuen Holocaust plane, sagte Kneissl, dass antisemitische Auswüchse hochrangiger Mitglieder der iranischen Führung bekannt seien. "Aber wir bleiben auf dem Standpunkt stehen, dass alle Staaten im Nahen Osten das Recht auf Frieden und Stabilität haben. Dazu gehört auch Israel."
In ihrem Gespräch mit Pence sei es um die Konferenz in Warschau gegangen, die Kneissl als "multilateralen Ansatz" der USA wertete, und vor allem um den Nahen Osten. Sie habe Pence gegenüber wie auch gegenüber Sondergesandten Jeffrey das österreichische Minenräumungsprogramm in Syrien erläutert, berichtete die Außenministerin.
Was den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) betrifft, so stimmte Kneissl der Aussage zu, dass "die territoriale Dimension des Kalifats" bald besiegt sein könnte. Allerdings: "Terror vonseiten des IS wird es, so befürchte ich, auch weiter geben." Jeffrey teile diese Einschätzung. Kneissl warnte vor einem "digitalen Kalifat", also asymmetrische Kriegsführung wie Cyber-War durch den IS. Sie sehe die "digitale Gefahr" auf uns zukommen, sagte Kneissl. "Das sind die düstersten Szenarien, die Sicherheitsexperten immer wieder durchspielen."