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Kneissl sieht neue Phase der Zusammenarbeit mit Bhutan

Der Fortschritt, der sich auch in Ländern wie dem früher isolierten Himalaya-Staat Bhutan Bahn bricht, verlange auch nach einer neuen Phase der Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Diese Schlussfolgerung zog Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) am Samstag nach einem Treffen mit ihrem bhutanesischen Amtskollegen Tandi Dorji in der Hauptstadt Thimphu.

Kneissl bei ihrer Südasienreise
Kneissl bei ihrer Südasienreise

Bhutan sei auf dem Weg, aus der Kategorie "Least Developed Country" auf das Niveau "Low Income" aufzusteigen. Daher müsse sich aber auch etwas "an unserer EZA-Kooperation ändern". Es müsse eine neue Phase eingeläutet werden. Durch wichtige und an sich positive Entwicklungen wie der Elektrifizierung hätten sich jedoch auch neue Probleme aufgetan, berichtete Kneissl der APA von ihrem Gespräch mit dem Außenminister.

"Die Landflucht steigt, es gibt mehr Jugendarbeitslosigkeit, die Familienstrukturen verändern sich", zählte Kneissl auf. Der - in einen traditionellen Gho gehüllte - Außenminister habe ganz offen dargelegt, dass sich das bis vor 20 Jahren weitestgehend von der Außenwelt und auch anderen Bereichen abgeschottete Land - die erste TV-Station ging in den 1990er Jahren auf Sendung, auch Überlandstraßen gibt es erst seit Kurzem - mit neuen gesellschaftlichen Problemen konfrontiert sehe.

Im Grunde sei Bhutan immer noch ein von Großfamilien und der Aristokratie geprägter Feudalstaat, bilanzierte Kneissl. Es gebe etwa kein funktionierendes Steuerwesen. "Sie haben keine Mehrwertsteuer, keine Grundsteuer, keine Besitzsteuer." Sie habe ihren Gastgebern aber geraten, es zu vermeiden, "Arbeit zu sehr zu besteuern". Vielmehr sollten die Bhutanesen von den "Fehlern, die andere gemacht haben, lernen".

Wie schon beim Aufbau eines Justizsystems werde Österreich aber versuchen, dem Kleinstaat im Himalaya - er ist halb so groß wie Österreich und hat rund 750.000 Einwohner - mit Rat und Tat beiseite zu stehen. Daher wurde am Samstag auch ein Memorandum zur "Transition Strategy 2019-2023" unterzeichnet.

Durch die Öffnung des Landes würden natürlich auch Jugendliche durch neue westliche Einflüsse beeindruckt, zudem nehme der Einfluss des Klerus ab, so die Außenministerin, die am Vormittag das buddhistische Kloster Kyichu Lhakhang in der Nähe von Paro besucht hatte.

Derartige Entwicklungen erzeugten aber auch ein Vakuum in der Gesellschaft, welches das Land anfällig für Einflüsse von außen mache, meinte Kneissl. Bhutan würde sich in einer "Sandwich-Situation" zwischen China und Indien befinden, zitierte die Außenministerin ihren Amtskollegen. Beide Großstaaten würden versuchen, ihren Einfluss zu verstärken und "nach der alten Methode divide et impera vorzugehen". Gerade ein Land und eine Gesellschaft im Umbruch seien aber "verwundbar", analysierte die Außenministerin. "Die große Herausforderung ist, mit dieser Verwundbarkeit umzugehen."

Nach ihrem Treffen mit Außenminister Tandi Dorji traf Kneissl auch mit Ministerpräsident Lotay Tshering zusammen. Dessen Partei Druk Nyamrup Tshogpa (DNT) hatte im Vorjahr die dritte Parlamentswahl des Landes seit dem Übergang zur konstitutionellen Monarchie im Jahr 2008 gewonnen.

Die DNT wurde im Jahr 2013 gegründet und ist damit die jüngste der vier registrierten Parteien Bhutans. Lotay Tshering, ein beliebter Chirurg, hatte im Wahlkampf die Jugendarbeitslosigkeit sowie die steigende Scheidungsrate im buddhistischen Königreich als Probleme angesprochen. Seine Partei gilt in etwa als Mitte-Links, eine Einordnung nach westlichem Muster ist allerdings schwierig.

Staatsoberhaupt des für sein Bruttonationalglück bekannten Landes ist der auf Plakatwänden im Land allgegenwärtige König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck. Die konstitutionelle Monarchie im Bhutan gibt der Politik noch immer die Richtung vor. Insbesondere bei der Sicherheits- und Außenpolitik habe er die Fäden noch in der Hand, vermuten ausländische Diplomaten.

Eine an sich für Sonntag geplante Audienz Kneissls beim Monarchen dürfte hingegen aller Voraussicht nach nicht stattfinden. Der am 21. Februar 1980 geborene König ist dieser Tage anlässlich seines 39. Geburtstages eine Woche lang in dem gebirgigen und verkehrsmäßig nur rudimentär erschlossenen Land unterwegs.

Stattdessen wird die Ministerin Vertreter der "Gross National Happiness Commission" treffen und mit NGOs und UNO-Mitarbeitern das Thema "Gewalt gegen Frauen in Bhutan" erörtern. Am Montag geht es weiter nach Indien, der letzten Station von Kneissls Südasienreise. Zuvor hatte sie schon Bangladesch und Nepal besucht. Die Rückkehr nach Wien ist für Mittwoch vorgesehen.