Bereits am Montag will Maas einen Beschluss über den europäischen Beitrag zur Überwachung des Waffenembargos im Libyen-Konflikt im Kreise der EU-Außenminister erreichen. Strittig ist dabei vor allem, ob in einem Nachfolge-Einsatz für die frühere EU-Marinemission "Sophia" auch Schiffe eingesetzt werden sollen. Einige EU-Staaten, darunter vehement Österreich, lehnen dies mit dem Argument ab, dass die Marineschiffe dann auch aus Libyen kommende Migranten aus Seenot im Mittelmeer retten und in die EU bringen würden.
Entscheidend sei dabei nicht, welche Mittel der Überwachung man wähle, sagte Maas am Sonntag in München. Wichtiger sei, dass man alle Wege der Waffenlieferungen zu Luft, Wasser und Land überwache. Man wisse, dass die Kriegsparteien in Libyen ihren Nachschub auf unterschiedlichen Wegen bekämen. "Deshalb muss das Überwachungsregime in der Lage sein, alle drei unterschiedlichen Möglichkeiten der Überwachung zu leisten, ansonsten wird eine Seite benachteiligt", betonte Maas.
In Libyen herrscht seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 Chaos. Die von der UNO anerkannte Regierung in Tripolis wird von den Truppen des abtrünnigen Generals Khalifa Haftar bekämpft, der einen Großteil des Ostens und Südens des Landes kontrolliert. Inzwischen haben sich mehrere andere Staaten der Region in den Konflikt eingemischt, indem sie für die eine oder andere Seite Partei ergriffen haben und sie jeweils auch militärisch unterstützen. Die Regierung in Tripolis bezieht Waffen auf dem Seeweg etwa aus der Türkei. Der abtrünnige General Khalifa Haftar im Osten des Landes wird dagegen über Land aus Ägypten oder aus der Luft beliefert.
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), der Österreich am Montag beim EU-Außenministerrat vertreten wird, bekräftigte vor wenigen Tagen das Nein Österreichs zu einer Wiederaufnahme der Mission "Sophia". In einer Reaktion auf ein Zeitungsinterview des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell verwies Schallenberg am Dienstag auf den "Pull-Faktor" für illegale Migration und wertete die Mission zugleich als ungeeignet für die Kontrolle des Waffenembargos.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte am Sonntag in München: Das Veto eines einzelnen Landes dürfe den Start einer EU-Marinemission zur Überwachung des Waffenembargos nicht blockieren. Man könne in der EU nicht weiter alle außenpolitischen Entscheidungen einstimmig treffen, sagte der Spanier. Mit Blick auf das EU-Außenministertreffen am Montag in Brüssel betonte er: Falls nur ein einziges Land, das nicht mal eine Marine habe, gegen die Wiederaufnahme einer Marinemission sei, könne man nicht sagen: "'Oh, es tut mir so leid. Ich habe keine Einstimmigkeit.' (...) Das ist lächerlich." Borrell nannte Österreich dabei nicht beim Namen. Neben Österreich sträubt sich Diplomaten zufolge auch Ungarn gegen eine neue Marinemission.
Borrell sagte weiter, die europäischen Regierungen müssten bereit zur Intervention in internationalen Krisen sein. Andernfalls werde die Gemeinschaft auf Dauer außenpolitisch gelähmt bleiben, warnte er. Die Europäer sind derzeit bei vielen Themen von Libyen bis Venezuela gespalten, außenpolitische Entscheidungen müssen in der EU aber einstimmig fallen. Wenn es keine Einstimmigkeit in der EU gebe, müsse die verbleibende Mehrheit der Mitgliedstaaten die Möglichkeit zum Handeln haben, so Borrell. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte in der Vergangenheit bereits die Aufgabe des Prinzips der Einstimmigkeit in der EU-Außenpolitik gefordert.
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der ebenfalls prononciert gegen eine Wiederaufnahme von "Sophia" aufgetreten ist, hatte am Freitag auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Wichtigkeit einer geeinten EU betont. "Das Gegeneinander, das wir in der letzten Zeit mehr und mehr erlebt haben", bezeichnete Kurz als "schädlich".
Im angekündigten, UNO-geführten Verhandlungsforum zum Libyen-Konflikt wird zunächst Italien den Vorsitz führen, wo bereits im März die nächste Zusammenkunft geplant sei, sagte Maas am Sonntag bei der Pressekonferenz nach Abschluss der Libyen-Folgekonferenz in München. Die Teilnehmer hätten "ganz offen" über die "nicht unerheblichen zahlreichen Verstöße gegen das Waffenembargo" in den vergangenen Wochen gesprochen. Sie hätten "durchaus unterschiedliche Auffassungen" geäußert, worauf die Verstöße zurückzuführen seien, "aber alle sind sich einig, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, die Konfliktparteien von ihren Unterstützern zu trennen, nach wie vor der einzig Erfolg versprechende Weg ist, den Bürgerkrieg in Libyen zu beenden."
Das Treffen in München wurde von der deutschen Regierung zusammen mit den Vereinten Nationen organisiert. An den Gesprächen nahmen u.a. auch der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, Borrell und der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian teil. Der UNO-Sondergesandte für Libyen, Ghassan Salame, hatte nach Angaben der Organisatoren seine geplante Teilnahme an dem Treffen aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesagt. Er wurde von der stellvertretenden Sondergesandten Stephanie Williams vertreten.
Williams warnte vor einer "in höchstem Maße beunruhigenden" Lage in Libyen. Die Feuerpause der Konfliktparteien hänge "am seidenen Faden" und sei bereits mehr als 150 Mal gebrochen worden. Wegen der Kämpfe um die Hauptstadt seien dort bereits mehr als 149.000 Menschen geflohen. Zudem verschlechtere sich die wirtschaftliche Lage.
Die zwölf Teilnehmerstaaten der Libyen-Konferenz in Berlin hatten sich am 19. Jänner zur Einhaltung des UNO-Waffenembargos gegen Libyen und den Verzicht auf weitere Unterstützungsleistungen für die Konfliktparteien verpflichtet. Dennoch wurden auch danach immer wieder Verstöße gegen das Embargo gemeldet.