Die Staatsverschuldung sei hoch, es gebe kein Wachstum, sagte der Fraktionschef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU). "Das ist Ihre Verantwortung", kritisierte der Anwärter auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten nach der Europawahl im Mai.
Die Regierung in Rom schüre bewusst Konflikte und mache Europa zum Sündenbock - nur um von der eigenen verfehlten Wirtschaftspolitik abzulenken, betonte der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Udo Bullmann. Wie wenig konstruktiv Italien sich verhalte, zeige der Umgang mit Flüchtlingen. So seien 47 Migranten 13 Tage auf dem Rettungsschiff "Sea-Watch 3" festgehalten worden - als "Gefangene einer Ideologie, als Spielball einer zynischen Politik."
Mehrere Redner kritisierten auch, dass sich die italienische Regierung vergangene Woche im Rat der EU-Staaten gegen eine Anerkennung des selbsternannten venezolanischen Übergangspräsidenten Juan Guaido gestellt hatte. Italien habe damit ein geschlossenes Vorgehen der EU gegen Venezuelas umstrittenen Staatschef Nicolas Maduro verhindert, sagte der Chef der liberalen Fraktion, Guy Verhofstadt. "Und dies geschah auf Druck des Kreml."
Massive Kritik wurde auch an einem Treffen des italienischen Vize-Regierungschefs Luigi Di Maio mit Aktivisten der "Gelbwesten" laut, die seit Wochen gegen die Politik der französischen Regierung protestieren. Damit unterstütze Italien eine Bewegung, der Randalierer angehörten sowie Befürworter eines Militärputschs gegen den französischen Staatschef Emmanuel Macron, sagte Verhofstadt, dessen Liberale gemeinsam mit der Bewegung Macrons in die EU-Wahl ziehen. "Das ist ein lächerliches Verhalten." Paris hatte vergangene Woche aus Protest gegen die Unterstützung der "Gelbwesten" seinen Botschafter aus Rom bis auf weiteres abgezogen.
Conte wies die Kritik entschieden zurück. Angesichts des massiven Flüchtlingsandrangs sei Italien überfordert gewesen, sagte er. Daher habe seine Regierung einen "strikteren Kurs" eingeschlagen. Dies sei die einzige Möglichkeit, um gegen den Menschenhandel durch Schlepper vorzugehen. Zugleich warf er der EU, "Heuchelei" im Umgang mit der Flüchtlingskrise vor und kritisierte die mangelnde Solidarität der anderen EU-Staaten. "Ein Staat, welcher sich in der Lage Italiens befindet, ist irgendwann einmal voll. Dann funktionieren die Integrationsmechanismen nicht mehr."
Zuvor hatte der parteilose Rechtsprofessor in einer langen Rede vor dem Plenum eine EU-weite Strategie zur Bewältigung der Migration gefordert. Die EU habe sich zu spät mit dem Thema befasst, betonte er. Notwendig sei unter anderem ein "neues Modell der Zusammenarbeit" mit Afrika, sagte Conte, der in seiner Ansprache scharfe Kritik an der Europäischen Union vermied.
Allgemein kritisierte er das Fehlen von "Visionen" in der EU und mangelnde Bürgernähe. In den vergangenen 30 Jahren sei es nicht gelungen, Visionen zu entwickeln, vielmehr gebe es Verwaltung und Bürokratie. Mit Beginn der Finanzkrise sei in der EU der Kontakt zum Volk verloren gegangen. Es sei auch zu wenig, nur eine Festung Europa zu verteidigen. Wesentlich sei eine Triebkraft, die Innovationskraft auslösen könne.
Anders als die EU-Abgeordneten äußerte sich der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen, lobend über Italien, das er als "Herzstück Europas" würdigte. Italien müsse eine zentrale Rolle bei der Verteidigung europäischer Werte spielen, unterstrich Katainen. Wenn es um eine Solidaritätsunion geht, "ist Italien der beste Ort, damit anzufangen", sagte er in Anspielung auf den Budgetstreit.
Italien war mit Jahresende 2018 als erste Volkswirtschaft der Eurozone in eine Rezession abgerutscht. Zuvor hatten die Regierung in Rom und die EU-Kommission erst nach langen Verhandlungen ihren Streit über den Entwurf des italienischen Budgets für 2019 beilegen können.
Mit Contes Rede wurde eine Reihe von Debatten über die Zukunft der EU fortgesetzt, zu denen das EU-Parlament im Vorfeld Europawahl Ende Mai seit einem Jahr regelmäßig Staats- und Regierungschefs einlädt. Im Rahmen dieser Debatten waren bereits der französische Staatschef Macron und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Straßburger Plenarsaal aufgetreten.