Andreas Bock ist Experte der Berliner Denkfabrik European Council for Foreign Relations.
Was ist Orbanisierung? Andreas Bock: Der Staat wird in Schlüsselbereichen - Medien, Wissenschaft, Gesellschaft, Justiz - so umgebaut, so dass ein semi-autoritäres System entsteht, das Freiheiten und Institutionen des Landes einschränkt. Dadurch entsteht ein Umfeld, das die Macht zementiert. Es herrscht Scheindemokratie. Wahlen sind frei, aber nicht fair, weil die Regierung im Vorteil ist - etwa durch ein geändertes Wahlrecht und die Kontrolle eines Großteils der Medienlandschaft.
Wie ist die Ideologie? Orban hat den Begriff dafür selbst geprägt: Illiberale Demokratie. Illiberalität steht als Kampfbegriff über allem. Es handelt sich um nationalistische, rechtskonservative und EU-kritische Vorstellungen, die sich auch gegen liberale Werte und Freiheiten richten. Die politische Elite stellt etwa die Rechte von sexuellen Minderheiten in Frage oder fährt einen sehr restriktiven Kurs gegenüber Geflüchteten.
Was ist die Methode? Man demonstriert innenpolitische Stärke, indem man Feinde von Außen beschwört. Orbán hat den Philanthropen George Soros zum Feind Ungarns erklärt, weil dieser angeblich Einfluss auf Ungarn nehmen wolle. Ähnliches gilt für die EU-Kommission, die Ungarn in Sachen Rechtsstaatlichkeit auf die Finger schaut, was Orban missfällt. Orban will die EU nicht verlassen. Er braucht das Geld aus Brüssel. Er will die EU von innen verändern.
Folgen andere EU-Länder? In der Form ist Ungarn noch einzigartig. Am ähnlichsten ist Polen, mit dem großen Unterschied, dass die Regierung in Warschau anti-russisch agiert. Was Einschränkung der Pressefreiheit betrifft, sind auch in Ländern wie Bulgarien oder Griechenland ähnliche Tendenzen zu erkennen.