Unter anderem muss sie sich wegen Verstößen gegen die Außenhandelsgesetze, Verletzung von Corona-Maßnahmen und Anstiftung zum Aufruhr verantworten. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Suu Kyi zudem wegen Korruption angeklagt werden soll. Es drohen langjährige Haftstrafen. Ihre Anwälte teilten mit, dass sie am Nachmittag Einzelheiten zu dem Verfahrensauftakt bekannt geben wollten.
"Die strafrechtlichen Anklagen gegen Aung San Suu Kyi sind falsch und politisch motiviert durch die Absicht, ihren Sieg bei den Wahlen vom November 2020 zu annullieren und zu verhindern, dass sie jemals wieder für ein Amt kandidiert", teilte Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit. Er sprach von einem "Schauprozess". Alle Anklagen müssten fallengelassen und Suu Kyi umgehend freigelassen werden. Suu Kyi war bereits in der Vergangenheit insgesamt 15 Jahre unter Hausarrest gestanden, bis vor zehn Jahren zaghafte demokratische Reformen eingeleitet wurden. Sie sei auf dem besten Weg, erneut eine "Märtyrerin für die (...) Demokratie" zu werden, so Robertson.
Suu Kyis Anwälte teilten mit, dass am ersten Verhandlungstag zunächst mehrere Polizisten als Zeugen vernommen worden wären. Suu Kyi habe angeschlagen ausgesehen, aber die Anhörung "interessiert und aufmerksam" verfolgt, so Khin Maung Zaw, der Chef ihres Verteidigungsteams.
Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP) verurteilten den Prozess gegen Suu Kyi in einer Stellungnahme für die APA scharf. Die Friedensnobelpreisträgerin solle mit "erfundenen Vorwürfen in Schauprozessen" mundtot gemacht werden, kritisierte Kurz. "Statt ihren demokratisch legitimierten Wahlsieg vom November 2020 endlich anzuerkennen, versucht die Militärjunta mit aus der Luft gegriffenen Anklagen Aung San Suu Kyi zu diskreditieren und auf das politische Abstellgleis zu befördern, das ist schlicht inakzeptabel", so auch Schallenberg. Er forderte eine deutliche Verurteilung der "willkürlichen Strafverfahren" durch die internationale Gemeinschaft und die Freilassung Suu Kyis und anderer politischer Gefangener.
Das südostasiatische Myanmar versinkt seit dem Putsch Anfang Februar in Chaos und Gewalt. Das Militär unterdrückt jeden Widerstand mit brutaler Härte. Nach Schätzungen der Gefangenenhilfsorganisation AAPP wurden mindestens 863 Menschen getötet. Mehr als 6.000 wurden festgenommen.