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Prozess in Deutschland: Folter und Massenhinrichtungen in syrischen Gefängnissen

Weltweit zum ersten Mal müssen sich zwei mutmaßliche Folterer des syrischen Assad-Regimes in einem Strafprozess in Deutschland verantworten. Das Verfahren beginnt in Koblenz.

Von links nach rechts: Rechtsanwalt Khubaib-Ali und die Mitkläger Feras Fayyad und Mohamad Alshaar beantworten die Fragen von Journalisten während einer Prozesspause gegen zwei syrische Angeklagte, denen staatlich geförderte Folter in Syrien vorgeworfen wird.
Von links nach rechts: Rechtsanwalt Khubaib-Ali und die Mitkläger Feras Fayyad und Mohamad Alshaar beantworten die Fragen von Journalisten während einer Prozesspause gegen zwei syrische Angeklagte, denen staatlich geförderte Folter in Syrien vorgeworfen wird.

In Koblenz hat der weltweit erste Prozess gegen zwei mutmaßliche Handlanger des syrischen Diktators Bashar al-Assad begonnen. Es geht um Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gefängnis Al-Khatib in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Nach Berichten von Opfern und Menschenrechtsorganisationen sind Folter und Massenhinrichtungen aber auch in anderen syrischen Militärgefängnissen an der Tagesordnung.

Insassen wurden tagelang wachgehalten

Der Hauptangeklagte Anwar R. in dem Koblenzer Prozess soll Leiter der Ermittlungsabteilung beim Allgemeinen Geheimdienst im Gefängnis Al-Khatib gewesen sein. Laut der Anklage wurden dort mindestens 4.000 Menschen bei Verhören gefoltert, unter anderem durch Elektroschocks, Peitschenhiebe und Prügeln mit Kabeln. R. werden zudem Mord in 58 Fällen sowie Vergewaltigung und schwere sexuelle Nötigung zur Last gelegt.

Laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International gehörte zu den Foltermethoden in Al-Khatib auch, dass Insassen tagelang wachgehalten oder mit den Handgelenken an der Decke aufgehängt wurden, so dass sie gerade noch mit den Zehenspitzen den Boden berühren konnten.

Syrische Regierung verfolgt "Politik der Vernichtung"

Das auch als "Einheit 251" bekannte Al-Khatib-Gefängnis in der syrischen Hauptstadt ist laut Amnesty kein Einzelfall. Bereits 2016 hatte die Organisation in einem erschütternden Bericht eine "Politik der Vernichtung" der syrischen Regierung gegen die eigene Bevölkerung dokumentiert. Im berüchtigten Gefängnis Saidnaja nördlich von Damaskus wurden demnach zwischen 2011 und 2015 zwischen 5.000 und 13.000 Menschen von regierungstreuen Kräften gehängt. Folterungen, gezieltes Aushungern und willkürliche Hinrichtungen waren demnach an der Tagesordnung, die meisten Opfer laut Amnesty Zivilisten.

Gemeinsam mit der Londoner Recherche-Agentur "Forensic Architecture" rekonstruierte Amnesty das Militärgefängnis Saidnaja auf der Basis von Aussagen von Überlebenden. In der digitalen Rekonstruktion sind winzige Isolationszellen ebenso wie überfüllte Gruppenzellen zu sehen. Hinzu kommen Interviews mit Augenzeugen.

Ein Blick in den Abgrund menschlicher Grausamkeit

Der Bericht "'It breaks the Human': Torture, Disease and Death in Syria's Prisons" ("'Es bricht den Menschen': Folter, Krankheiten und Tod in syrischen Gefängnissen") stützt sich auf die Schilderungen von 65 Zeugen, darunter Wachen, Häftlinge und Richter. Als Beweise hinzu kamen mehr als 28.000 Fotos getöteter Gefängnisinsassen des früheren syrischen Militärfotografen mit dem Decknamen Caesar, der die Bilder unter Lebensgefahr außer Landes brachte. Nach Amnesty-Angaben werden seine Bilder auch in dem Prozess in Koblenz zur Beweisführung herangezogen.

Der Bericht über das Gefängnis Saidnaja - immer wieder auch als "Folter-Fabrik" beschrieben - wirft einen Blick in den Abgrund menschlicher Grausamkeit.

Gefangene wurden in der Nacht aus ihren Zellen geholt

Mindestens einmal pro Woche sei eine Gruppe von bis zu 50 Gefangenen "mitten in der Nacht und in aller Heimlichkeit" aus ihren Zellen geholt, misshandelt und gehängt worden, heißt es in dem Bericht. Den Opfern waren bis zum Schluss die Augen verbunden - bis ihnen "die Schlinge um den Hals gelegt wurde".

Ein ehemaliger Richter, der Zeuge der Hinrichtungen wurde, sagte aus, die Betroffenen hätten oft zehn bis 15 Minuten lebend am Strang gehangen. "Die Jüngeren waren zu leicht, als dass ihr eigenes Gewicht sie töten würde. Wärter haben dann an ihnen gezerrt, um ihr Genick zu brechen."

Gefangene starben durch Hunger und Folter

Neben den Hinrichtungen starben demnach tausende weitere Gefangene durch Folter, an Hunger oder weil ihnen ärztliche Behandlung versagt wurde. Zu den gängigen Foltermethode zählten laut dem Bericht auch Vergewaltigungen oder gegenseitige Vergewaltigungen von Häftlingen.

2017 erstatteten frühere Gefangene beim deutschen Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen mehrere ranghohe syrische Armeeangehörige, darunter gegen den Verteidigungsminister Fahd Jasim al-Furaji. Dabei geht es um Folter im Militärgefängnis Saidnaja und weiteren militärischen Einrichtungen.

KOMMENTARE (1)

Kurt Fuchs

Sie haben nicht erwähnt, warum dieser Prozess in Deutschland stattfinden muss und nicht vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag oder vor einem Sondertribunal; welche Rolle hier Russland im Weltsicherheitsrat spielt. Ansonsten ein guter Bericht - Danke
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