Über die Hälfte der Flüchtlinge befindet sich den Angaben zufolge nun in Polen. Über 450.000 Menschen aus der Ukraine suchten demnach dort Schutz, nach Regierungsangaben sogar rund 500.000. An zweiter Stelle folgt Ungarn mit rund 116.000 aufgenommenen Flüchtlingen, dann die Slowakei mit 67.000, Moldau mit 65.000 und Rumänien mit 38.000. 52.000 Menschen seien zudem in andere europäische Staaten weitergereist. Aus Österreich lagen bisher keine Zahlen vor. Ukrainer dürfen sich bisher 90 Tage frei in der EU bewegen.
Gut fünf Prozent der ukrainischen Kriegsflüchtlinge (42.900) gingen laut UNHCR nach Russland. Hinzu kommen demnach 96.000 Menschen aus den Separatistengebieten in der Ostukraine, die bereits vor dem Einmarsch nach Russland gegangen waren. 350 Ukrainer seien nach Belarus gereist.
Nach Angaben des deutschen Bundesinnenministeriums von Mittwochmittag wurden mehr als 5.300 Flüchtlinge offiziell in Deutschland registriert, die wahre Zahl könnte aber deutlich höher sein. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann rechnet in den kommenden Tagen und Wochen mit der Ankunft von bis zu 50.000 ukrainischen Flüchtlingen in seinem Bundesland.
"Alle, die vor Putins Bomben fliehen, sind in Europa willkommen", erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Dem Vorschlag zufolge sollen die aus der Ukraine geflüchteten Menschen vorläufige Aufenthaltstitel in der EU erhalten. Damit hätten sie für zunächst zwei Jahre auch das Recht zu arbeiten und die jeweilige Gesundheitsversorgung zu beanspruchen, Kinder könnten zur Schule gehen.
Nach Kommissions-Angaben könnte der Schutzstatus um ein weiteres Jahr verlängert werden, sollte eine Rückkehr in die Ukraine unmöglich sein. Das Angebot soll auch für Migranten aus Drittländern wie Afghanistan gelten, die in der Ukraine Asyl beantragt oder einen anderen Schutzstatus hatten.
Damit macht die Kommission erstmals Gebrauch von der Richtlinie zum Flüchtlingsschutz von 2001, die im Zuge des Jugoslawien-Krieges ausgearbeitet worden war. Mindestens 15 EU-Länder müssen zustimmen, um sie zu aktivieren. Österreich hat sich grundsätzlich zur Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen bereit erklärt.
Nun sollen die zuständigen Innenminister bei ihrem Treffen an diesem Donnerstag politisch über den Vorschlag der Kommission entscheiden. Nach der Grundsatzentscheidung solle die Arbeit auf technischer Ebene zügig vorangetrieben und in den kommenden Tagen abgeschlossen werden, sagte ein EU-Diplomat am Mittwoch.
Die deutsche Bundesregierung macht eine große Hilfsbereitschaft in den Nachbarländern der Ukraine aus, Flüchtlinge aufzunehmen. "Europa steht zusammen", sagt eine Regierungssprecherin in Berlin. Alle EU-Staaten seien zur Aufnahme von Schutzsuchenden bereit.
Sollten die Regeln in Kraft treten, dürften Ukrainer den Schutzstatus in jedem EU-Land beantragen. Das Recht, einen Asylantrag zu stellen, besteht weiter. Ukrainer mit biometrischem Reisepass dürfen sich 90 Tage lang frei in der EU bewegen. Die Richtlinie sieht zudem die Möglichkeit der freiwilligen Umverteilung von Flüchtlingen in der EU vor. Aus der EU-Kommission hießt es am Mittwoch jedoch, dass man zunächst abwarten müsse, welche Länder besonders belastet sein werden.
Die Richtlinie wurde in Folge der Kriege in den 1990er-Jahren im ehemaligen Jugoslawien geschaffen. Sie wurde noch nie genutzt. Die Richtlinie soll angewendet werden, wenn andernfalls eine Überlastung der Asylbehörden droht. Den Schutzsuchenden werden Mindeststandards wie Arbeitserlaubnis sowie der Zugang zu Sozialhilfe garantiert.
Die EU-Kommission legte am Mittwoch zudem unverbindliche Leitlinien für die Nachbarländer der Ukraine vor, um Grenzkontrollen einfacher zu machen.