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Slowakei gegen verpflichtende Aufnahme von Migranten

Der slowakische Außenminister Miroslav Lajcak, der am Montag in Wien ist, hat eine verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen erneut ausgeschlossen. "Es ist für die Slowakei politisch und gesellschaftlich nicht akzeptabel, Migranten aufzunehmen. Die Gesellschaft ist dazu nicht bereit", sagte Lajcak gegenüber der APA. Er forderte eine "europäische Lösung, die für alle akzeptabel ist".

Miroslav Lajcak ist derzeit auch OSZE-Vorsitzender

"Wenn man eine faschistische Regierung haben will, dann muss man nur die Slowakei zwingen, gegen den Willen von 99 Prozent (der Bevölkerung) diese Menschen aufzunehmen. Man kann es mögen oder nicht, das ist nun mal die Realität." Im Gegensatz zur Flüchtlingsaufnahme sei die Slowakei bereit, überproportional zur EU-Grenzschutzagentur Frontex oder dem EU-Nothilfe-Treuhandfonds für Afrika beizutragen. "Als Visegrad Vier haben wir auch beschlossen, vier Schiffe zu kaufen, die Italien und der Küstenwache bei Patrouillen im Mittelmeer helfen", sagte Lajcak im Vorfeld seines Besuchs bei Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ).

Lajcak kritisierte die Idee der Flüchtlings-Verteilungsquoten scharf. "Bedauerlicherweise hat die EU-Kommission einen riesigen Fehler gemacht, mit dem Glauben, dass man diese sensible Angelegenheit mit einer bürokratischen, mechanischen Maßnahme wie der Verteilung löst", erklärte Lajcak. "Großer politischer Schaden wurde in Europa angerichtet. Es brachte wirklich die alten Stereotype zurück, von alten und jungen Mitgliedstaaten, West und Ost. Und tiefes Misstrauen ist zwischen den Bürgern und den Institutionen" entstanden. "Wir müssen die EU wieder einen", betonte Lajcak. "Das wird nie passieren, wenn eine Gruppe von Mitgliedern ihre Lösung anderen aufzwingt."

"Migration ist unsere gemeinsame Verantwortung", kein "italienisches, griechisches oder spanisches Problem". Was die EU "stark" mache, sei die Fähigkeit, Lösungen zu finden, die von allen Mitgliedstaaten mitgetragen würden. Er glaube an die Solidarität, sagte Lajcak. "Ich denke, die beste Solidarität ist, wenn jedes Land etwas beiträgt, aber jedes Land das beiträgt, was es als den besten Weg erachtet." Zu unterschiedlich seien die Staaten, geografisch, geschichtlich und von der Mentalität her.

Lajcak bedauerte gleichzeitig, dass sein Heimatland den UNO-Migrationspakt abgelehnt hat, wie auch u.a. die USA, Ungarn, Österreich oder Tschechien. "Ich bin sehr enttäuscht, dass mein Land diesem Klub beigetreten ist. Ich bin nicht stolz darauf, dass die Slowakei in dieser Ländergruppe ist, weil das ist eine Gruppe von Ländern, die auf der falschen Seite der Geschichte steht", sagte Lajcak, der im Vorjahr als Präsident der UNO-Vollversammlung den Pakt mitausgehandelt hatte.

Lajcak war wegen der Ablehnung des UNO-Migrationspakts durch seine Regierung im November vom Amt des Außenministers zurücktreten. Später revidierte er diesen Schritt. "Die Entscheidung, diesen Rücktritt zurückzunehmen, war die wohl schwerste Entscheidung, die ich in meinem beruflichen Leben machen musste", meinte Lajcak. Es habe mehrere Gründe gegeben.

Erstens hätten ihn Präsident Andrej Kiska, Ministerpräsident Peter Pellegrini und viele "wichtige und einflussreiche Persönlichkeiten" in seinem Land gebeten, zu bleiben. Ein zweiter "wichtiger Faktor" sei der bevorstehende OSZE-Vorsitz gewesen. "Es war mein Gefühl von persönlicher Integrität im Konflikt mit meinem Verantwortungsgefühl. Ich empfand es als nicht verantwortungsvoll, wegzugehen, um meine Integrität zu bewahren, aber mein Team in der Vorbereitungsphase im Stich zu lassen."

Ein dritter Grund sei sein Anliegen gewesen, dass die Außenpolitik seines Landes weiterhin dem "Wesen des Regierungsprogramms" entspricht: also die europäische und euroatlantische Orientierung, den Geist von europäischer Kooperation und Respekt für europäische Werte. Diese Garantie habe er von Premier Pellegrini bekommen, auch wenn der Rückzug der Regierung aus dem Migrationspakt" nicht "dem Geiste des Regierungsprogramms entsprochen" habe.

Den Pakt selbst verteidigte Lajcak: "Die Tatsache, dass 192 Länder dem Text, der sich mit einem so wichtigen und sensiblen Thema beschäftigt, zugestimmt haben, ist schon ein Sieg für den Multilateralismus." Leider sei zwischen der Einigung auf den Text und der formellen Annahme fast sechs Monate gelegen. Es seien Lügen über das Dokument verbreitet worden und die falsche Politik nach der Flüchtlingswelle 2015 habe dazu geführt, dass es leicht wurde, "billige politische Punkte" zu machen. "Leider beobachteten wir einen Schneeballeffekt." Schlussendlich wurde der Pakt im Dezember in New York mit der Zustimmung von 152 Staaten angenommen.

Mit Bedauern nahm die Slowakei unterdessen auch die Entscheidung der österreichischen Regierung zur Indexierung der Familienbeihilfe auf. Mehr als 27.000 Kinder, die in der Slowakei leben, sind von Kürzungen betroffen. "Unsere Leute glauben, wenn sie genauso viel arbeiten wie die Österreicher und die gleichen Steuern zahlen wie die Österreicher, dass sie dann auch berechtigt sind, die gleichen Unterstützungsleistungen zu bekommen. Es ist schwierig zu erklären, warum das nicht der Fall ist."

Die Slowakei hege außerdem Zweifel, ob die Maßnahme EU-rechtskonform ist. "Das ist der Grund, warum wir uns an die Gruppe der Staaten angeschlossen haben, die die EU-Kommission gebeten hat, diese Frage zu untersuchen". Sein Land strebe "eine europäische Lösung" an, "das bedeutet, wir warten auf die Reaktion der EU-Kommission".

Ob die Familienbeihilfe Gesprächsthema mit Außenministerin Kneissl wird, konnte Lajcak nicht eindeutig bejahen. "Wir haben eine lange Liste von Themen, die wir besprechen möchten". Bereits vereinbart sei jedenfalls, dass sich die beiden parteifreien Außenminister zweimal im Jahr treffen wollen.

(Das Gespräch führte Alexandra Demcisin/APA)

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