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Steuererhöhung nach Protesten in Frankreich auf Eis gelegt

Nach Krawallen und Massenprotesten der "Gelbwesten" setzt die französische Regierung geplante Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel für sechs Monate aus. "Keine Steuer rechtfertigt es, die Einheit der Nation zu gefährden", sagte Premierminister Edouard Philippe am Dienstag in einer Fernsehansprache. Laut französischen Medien werden dem Staat deshalb rund 1,8 Milliarden Euro Einnahmen entgehen.

Edouard Philippe macht Rückzieher
Edouard Philippe macht Rückzieher

Der Regierungschef kündigte zudem an, dass die Tarife für Elektrizität und Gas während des Winters nicht angehoben werden sollen. Auch eine Verschärfung der technischen Überprüfung von Autos mit strikteren Umweltvorschriften werde für sechs Monate auf Eis gelegt.

Der Rückzieher der Regierung dürfte die Proteste aber nicht stoppen, berichteten französische Medien. Eric Drouet von der Protestbewegung "Gelbe Westen" sagte dem Sender BFMTV, es solle weiter demonstriert werden, solange es keine wirkliche Wende gebe. Der Abgeordnete Damien Abad von der bürgerlichen Rechten forderte, die Steuererhöhungen zu streichen - und nicht nur auszusetzen.

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen äußerte laut Medien ebenfalls die Befürchtung, dass die angekündigten Maßnahmen nicht ausreichen dürften. Es sei sicher ein Zufall, dass die sechs Monate des Moratoriums nur ganz kurz nach der Europawahl endeten, schrieb sie ironisch bei Twitter. Die Europawahl ist für Ende Mai geplant.

"Seit dem Beginn der Bewegung sind vier unserer Landsleute ums Leben gekommen", bilanzierte Philippe. Hunderte Menschen seien verletzt worden. Philippe kündigte zudem eine "breite Debatte" über Steuern und öffentliche Ausgaben an. "Unsere Steuern sind die höchsten in Europa." Der Dialog zur Beruhigung der Lage solle bis zum 1. März kommenden Jahres dauern.

Die Wut der "Gelben Westen" hatte sich an den für Jänner geplanten Steuererhöhungen auf Kraftstoffe entzündet, die Staatschef Emmanuel Macron und die Regierung im Zuge einer Ökoreform durchsetzen wollten.

Der Protest richtet sich aber auch ganz allgemein gegen die Reformpolitik Macrons, der von vielen als "Präsident der Reichen" betrachtet wird. Französische Medien sehen den 40-Jährigen mit der schwersten Krise seiner Amtszeit konfrontiert. Der Staatschef war im Mai 2017 in den Elyseepalast eingezogen.

Philippe forderte, dass neue Proteste friedlich verlaufen müssten. Die Regierung nehme keine Gewalttätigkeiten hin. "Der Innenminister wird alle Mittel bereitstellen, damit Gesetz und Ordnung respektiert werden." Am vergangenen Wochenende hatten sich Demonstranten in der Hauptstadt Straßenschlachten mit der Polizei geliefert. Beobachter sprachen von bürgerkriegsähnlichen Szenen. Für diesen Samstag riefen die "Gelben Westen" bereits zu erneuten Protesten auf. Innenminister Christophe Castaner kündigte am Dienstag die Mobilisierung von landesweit mehr als 65.000 Sicherheitskräften für den Samstag an.

Offenbar im Zusammenhang mit den erwarteten Protesten wurden mehrere Erstliga-Fußballspiele am Samstag abgesagt. Die Partien Paris Saint-Germain (PSG) gegen Montpellier und Toulouse gegen Lyon wurden auf Aufforderung der Behörden verschoben, wie der französische Fußball-Bund mitteilte.

Proteste an französischen Gymnasien gingen unterdessen weiter, Schüler wehren sich gegen Reformen im Bildungsbereich. Laut Sender BFMTV wird insbesondere in der nordwestlich gelegenen Region Bretagne der Sprit an einigen Tankstellen knapp.

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