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Südafrikaner entdecken die Liebe zum eigenen Land

Viele Junge wandern aus. Ein Unternehmer überlegte, warum es sich zu bleiben lohnt - und überzeugt auch andere.

Aus Mandelas Heimat wandern viele ab.

September 2019: An einem Frühlingstag in Kapstadt postet der Immobilienunternehmer Jarette Petzer eine Videobotschaft in sozialen Medien. Darin bringt er seine Trauer über die Missstände zum Ausdruck, die Nelson Mandelas Regenbogennation plagen, von Korruption bis Gewalt - aber auch, warum es sich trotzdem lohnt, in Südafrika zu leben. Was Petzer damals nicht ahnen kann: Aus seiner Botschaft wird bald eine Massenbewegung entstehen. Heute, 15 Monate später, zählt die Kampagne #ImStaying knapp 1,2 Millionen Mitglieder. Sie sorgen für gute Laune in einem Land, das viele schon abgeschrieben hatten.

Die Geschichten, die auf der Facebook-Seite von #ImStaying geteilt werden, sind inspirierend: Im Fokus steht nicht nur die Schönheit des Landes. Es geht um kleine Geschichten, wie in einem Land der Gegensätze religiöse, ethnische und gesellschaftliche Gräben überwunden werden: Ein schwarzer Südafrikaner hilft einem weißen Greis über die Straße. Ein Weißer wechselt einer Schwarzen den platten Reifen. Ein Enkel bringt seiner Oma das Autofahren bei. Und ein Taxifahrer fährt eine Jugendliche kostenlos zum Bewerbungsgespräch. "Diese Geschichten beweisen, dass ethnische Beziehungen in unserem Land nicht so vergiftet sind, wie man uns oft glauben machen will", sagte Präsident Cyril Ramaphosa kürzlich. Laut der Autorin Natasha N. Freeman kam die Kampagne gerade zur richtigen Zeit: Die Vetternwirtschaft unter Ex-Präsident Jacob Zuma hatte den Schwellenstaat heruntergewirtschaftet. Drei Millionen Südafrikaner verloren während der Coronapandemie ihre Jobs. Linkspopulisten und Ewiggestrige nutzen die Misere, um Spannungen zwischen den Volksgruppen zu schüren. Hinzu kommen hohe Kriminalität und eine Gewaltwelle: 2019 wurde in Südafrika alle drei Stunden eine Frau ermordet, alle 15 Minuten eine Frau vergewaltigt.

Freeman meint, #ImStaying sei aus einem "kollektiven, stillen Verständnis" heraus geboren. Viel Südafrikaner wünschen sich eine bessere Welt. "Es war rührend zu sehen, wie Millionen Kommentare zu Unterstützung, Empathie, Bedauern und sogar Entschuldigungen führten." Der Name der Bewegung, übersetzt "Ich bleibe", hat einen ernsten Hintergrund: Jedes Jahr verlassen etwa 23.000 Südafrikaner ihre Heimat. Viele von ihnen sind hoch qualifiziert. Um diese Abwanderung zu stoppen, sollen Ärzte, Ingenieure, Anwälte und viele mehr für ihre Heimat begeistert werden. Während die "Stayers" von manchen als "selbstgefällig und elitär" kritisiert werden, bewertet der Politologe Ralph Mathekga die Kampagne positiv: "Kollektive Geschichten beeinflussen individuelle Entscheidungen." Das gelte gerade im krisengebeutelten Südafrika, wo sich viele "desillusioniert" fühlten - und in die Falle von Populisten zu tappen drohten. "Mit der Kampagne sind wir besser dran als ohne sie."

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