US-Präsident Donald Trump hat in seiner mit Spannung erwarteten Rede zur Lage der Nation seine politischen Prioritäten betont, ohne große wirtschaftliche Initiativen vorzustellen. Ungeachtet des anhaltenden Widerstandes der Demokraten forderte er am Dienstagabend erneut den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko.
"Mauern funktionieren und Mauern retten Leben", rief er den versammelten Abgeordneten beider Kongresskammern zu. "Ich bekomme sie gebaut" (I'll get it built).
Führende Demokraten wiesen dies umgehend zurück. In der Rede und den Reaktionen darauf waren erste Anzeichen auf den Wahlkampf für die Präsidentenwahl 2020 zu spüren.
Wahlkampf 2020 im Februar 2019
Die jährliche Rede des Präsidenten vor dem Kongress stand seit Wochen im Zeichen des Streits zwischen Trump und den Demokraten über den Bau der Mauer. Die Demokraten hatten bei den Zwischenwahlen im November die Mehrheit im Repräsentantenhaus übernommen und können damit Gesetzesvorhaben des Republikaners blockieren. Trumps Ansprache im Plenum der Kammer war wegen des längsten Regierungsstillstands in der Geschichte der USA um eine Woche verschoben worden.
Auslöser war ein Budgetstreit wegen der Finanzierung der Mauer. Trump will dafür 5,7 Milliarden Dollar (4,99 Mrd. Euro) vom Kongress zugesprochen bekommen. Der Streit wurde zunächst mit einem Zwischen-Etat überbrückt, der allerdings nur bis zum 15. Februar läuft.
In seiner Rede rief Trump die Abgeordneten auf, sich bis dahin zu einigen. Die illegale Einwanderung in die USA habe das Ausmaß einer "dringenden nationalen Krise" erreicht. Er plädierte für ein neues Einwanderungssystem, das sicher und modern sei. Einen nationalen Notstand, um bei der Finanzierung den Kongress umgehen zu können, rief Trump jedoch nicht aus. Die Demokraten wiesen die Darstellung der Lage in ihrer Erwiderung zurück. "Nicht Mauern, sondern die Anwesenheit von Einwanderern macht Amerika sicher", sagte die Demokratin Stacey Abrams.
Trump warnte die Demokraten zudem davor, mit Untersuchungen die US-Wirtschaft in Gefahr zu bringen. "Ein Wirtschaftswunder findet in den USA statt." Nur dumme Kriege und Politik oder "lächerliche parteiische Ermittlungen" könnten das aufhalten.
Trumps schärfste Widersacherin, die demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, verfolgte Trumps Rede meist mit versteinertem Gesicht. Sie und andere weibliche Abgeordnete der Demokraten waren weiß gekleidet, um an das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts in den USA zu erinnern.
An den Aktienmärkten löste Trumps Rede zunächst keine größeren Reaktionen aus. Der Chefinvestment-Stratege Tim Ghriskey von Inverness Council sprach von einer "faden Kost" ohne spezifische Inhalte.
In der Rede und den Reaktionen mischten sich Vorboten des Präsidentschaftswahlkampfs 2020. Trump baute einen Seitenhieb auf den linken Flügel der Demokraten ein, der aus der Zwischenwahl im November gestärkt hervorgegangen war: "Heute bekräftigen wir unsere Entschlossenheit, dass die USA niemals ein sozialistisches Land werden."
Eine der bekanntesten neuen Vertreterinnen der linken Demokraten Alexandria Ocasio-Cortez, die sich selbst als "democratic socialist" beschreibt, reagierte darauf mit einem Lächeln. Sie fordert eine Reichensteuer von 70 Prozent.
Etwa zehn Demokraten haben bisher angekündigt, für 2020 in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur einsteigen zu wollen, weitere dürften in den kommenden Wochen und Monaten folgen. Der Republikaner Trump kann sich ebenfalls um eine zweite und letzte vierjährige Amtszeit bewerben. Der Bau der Mauer zu Mexiko war eins seiner wichtigsten Wahlversprechen.
Zweiter Gipfel mit Kim Ende Februar
Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un werden sich gut acht Monate nach ihrem historischen Gipfel in Singapur erneut treffen. Die Zusammenkunft werde am 27. und 28. Februar in Vietnam stattfinden, kündigte Trump bei seiner Rede zur Lage der Nation in Washington an.
Das Treffen in Singapur war das überhaupt erste Mal, dass ein US-Präsident im Amt mit einem nordkoreanischen Machthaber zusammenkam. In Singapur betonte Kim zwar seine grundsätzliche Bereitschaft zur "kompletten Denuklearisierung", also zur atomaren Abrüstung. Doch gab es keine konkreten Zusagen, bis wann Nordkorea sein Atomwaffenarsenal abrüsten will und wie die Gegenleistungen der USA aussehen könnten.
Die Führung des isolierten Landes hat Washington wiederholt vorgeworfen, es zu einer einseitigen Abrüstung zwingen zu wollen. Zuletzt verstärkte Pjöngjang deshalb seine Forderung nach einer Lockerung der internationalen Sanktionen. Dabei führte das stalinistische Land auch eigene Schritte zur Denuklearisierung an, einschließlich eines Abbaus seines Atomtestgeländes und einer Testeinrichtung für Raketenantriebe.

Nordkorea hatte im Sommer zudem die sterblichen Überreste von US-Soldaten aus dem Korea-Krieg (1950-53) übergeben. Die USA und Südkorea setzten ihrerseits gemeinsame große Militärmanöver aus. Trump hat aber bisher deutlich gemacht, dass er vorerst an der Politik des maximalen Drucks auf Nordkorea festhalten wolle.
"Unsere Geiseln sind nach Hause gekommen, Nukleartests haben aufgehört und es hat 15 Monate lang keinen Raketenstart gegeben", sagte Trump. "Wenn ich nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden wäre, wären wir meiner Meinung nach in einen großen Krieg mit Nordkorea verwickelt, mit potenziell Millionen getöteten Menschen." Es sei noch viel Arbeit zu tun, aber sein Verhältnis zu Kim sei gut.
Die US-Geheimdienste hatten erst kürzlich klargestellt, dass es derzeit keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass Nordkorea gewillt sei, seine Massenvernichtungswaffen komplett aufzugeben. Diese würden auch als politische Sicherheit zur Fortsetzung des kommunistischen Herrschaftssystems in Nordkorea eingesetzt.
Die demokratische Abgeordnete Val Demings erteilte der Forderung nach einem Ende der Untersuchungen etwa in der Russland-Affäre umgehend eine Absage: "Wir hören nicht auf." Trump kündigte zudem ein neues Treffen mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un Ende Februar an. Im Handelsstreit mit China warf er der Volksrepublik erneut den Diebstahl geistigen Eigentums vor.