Poroschenko sagte, mit dem Einreisestopp solle verhindert werden, dass sich in der Ukraine Abordnungen privater Armeen bildeten, die in Wirklichkeit Vertreter der Streitkräfte der Russischen Föderation seien. Der Präsident verwies auf die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 und warf Russland vor, Separatisten in der Ostukraine zu unterstützten. Nach Angaben des ukrainischen Grenzdiensts soll es beim Einreisestopp aber Ausnahmen aus humanitären Gründen geben, etwa wenn ein Russe an der Beerdigung eines Verwandten teilnehmen wolle.
Historisch haben viele Bürger beider Ex-Sowjetrepubliken enge verwandtschaftliche Beziehungen. Die Schwiegertochter von Präsident Poroschenko und der Schwiegervater von Außenminister Pawlo Klimkin sind russische Staatsbürger.
Moskau kritisierte das Einreiseverbot für russische Männer ins Nachbarland. Mit dieser Politik verletzte die Ukraine "die normalen Menschen", teilte das russische Außenministerium mit. Es wollte auf ähnliche Maßnahmen gegen Ukrainer aber verzichten.
Prinzipiell galt diese Regelung in der Ukraine bereits seit April 2014. Allerdings konnten russische Männer bei Nachweis des Zwecks ihrer Reise weiter einreisen. Seit Jänner dieses Jahres müssen alle Russen bereits ihre Fingerabdrücke bei Grenzübertritt abgeben. In der Diskussion sind seit Längerem eine vorherige Ankündigung der Reiseroute und die Einführung einer Visumspflicht für Russen.
Nach den neuerlichen Spannungen wachsen weltweit die Befürchtungen, dass der Konflikt zwischen beiden Ländern eskalieren könnte. "Wir hoffen, dass sich der Konflikt nicht weiter verschärft", sagte UNO-Generalsekretär António Guterres vor dem G-20-Gipfel in Buenos Aires. "Die territoriale Integrität der Ukraine muss gewahrt werden."
Poroschenko begrüßte zudem, dass US-Präsident Donald Trump ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin am Rande des G-20-Gipfels absagte. Trump hatte den Beschluss damit begründet, dass Russland die festgesetzten ukrainischen Schiffe und Seeleute bisher nicht freigelassen hat. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Rande des Gipfels wie geplant mit Putin über den Konflikt beraten. Trump hatte Merkel als Vermittlerin ins Gespräch gebracht.
Russland bedauerte Trumps Absage. Die russische Regierung sei dennoch gesprächsbereit, sagte Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur RIA. "Eine Absage bedeutet, dass Gespräche über wichtige internationale Themen auf unbestimmte Zeit verschoben wurden." Zum Einreiseverbot für russische Männer sagte der russische Abgeordnete Franz Klinzewitsch zu RIA, sein Land habe nicht vor, die Maßnahme zu kontern, indem es im Gegenzug Ukrainern die Einreise verwehrt.
Der seit Jahren anhaltende Konflikt um die Krim war am Sonntag in der Meerenge von Kertsch eskaliert, als Russland mit einem Frachtschiff drei ukrainischen Marinebooten die Einfahrt ins Asowsche Meer verwehrte. Russische Grenzschutzboote beschossen die ukrainischen Schiffe und verletzten mehrere Matrosen. Dann beschlagnahmten sie die Boote. Die Seeleute werden seitdem festgehalten. Ihor Huskow, ein hoher Beamter des ukrainischen Staatssicherheitsdienstes (SBU) sagte, sein Land erwäge, mit "spiegelbildlichen Aktionen" zu reagieren.
Die ukrainischen Matrosen wurden mittlerweile in ein Gefängnis nach Moskau verlegt. Das sagte die Krim-Ombudsfrau Ljudmila Lubina am Freitag russischen Medienberichten zufolge. Keiner von ihnen halte sich mehr in der Haftanstalt von Simferopol auf der Halbinsel Krim auf. Gegen die 24 Matrosen war in den vergangenen Tagen Untersuchungshaft angeordnet worden. Ihnen wird illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Bei einem Prozess in Russland drohen ihnen bis zu sechs Jahre Haft. Unter ihnen befinden sich laut Ukraine auch eigene Geheimdienstoffiziere.
Die G-7-Staaten haben Moskau zur Freilassung der Marinesoldaten aufgerufen. "Es gibt keine Rechtfertigung für den Einsatz militärischer Gewalt durch Russland gegen ukrainische Schiffe und Besatzungsmitglieder", hieß es in der gemeinsamen Erklärung der G-7-Gruppe. Die Minister äußerten ihre "tiefe Sorge" über das Vorgehen Russlands im Krim-Konflikt, das zu einer "gefährlichen" Zunahme der Spannungen geführt habe. Die G-7-Außenminister riefen "zur Zurückhaltung, der Achtung internationalen Rechts und der Vermeidung jeder neuen Eskalation" auf.
Die britische Premierministerin Theresa May sagte auf ihrem Flug nach Buenos Aires, Russland müsse die ukrainischen Schiffe freigeben, die Seeleute freilassen und die Situation deeskalieren. Großbritannien sei bei der Forderung nach Sanktionen gegen Russland in der EU immer an vorderster Front gewesen und werde nicht aufhören, weiterhin auf "angemessene Sanktionen" zu dringen. Mehrere hochrangige EU-Politiker hatten eine Verschärfung der Maßnahmen gegen Russland ins Spiel gebracht. Auch der ukrainische Ministerpräsident Wladimir Groisman forderte schärfere Sanktionen gegen Russland. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) dagegen sprach sich gegen eine Verschärfung der Strafmaßnahmen aus. Sanktionen würden immer alle betreffen, nicht nur jenen Staat, der getroffen werden soll, "deshalb setzen wir auf Gespräche".
Nach der Kaperung der Marineschiffe hatte die Ukraine am Mittwoch für 30 Tage das Kriegsrecht über einige Landesteile verhängt. Russland warnte daraufhin, dies könne zu einer Eskalation der Spannungen in der Konfliktregion im Südosten der Ukraine führen. Putin hat Poroschenko vorgeworfen, er habe eine "Provokation" inszeniert, um vor der Wahl im nächsten Jahr seine Beliebtheitswerte zu erhöhen.
Als Konsequenz aus dem Kriegsrecht-Erlass werden die für den 23. Dezember geplanten Kommunalwahlen in den zehn Grenzgebieten der Ukraine abgesagt. Die Rats- und Bürgermeisterwahlen sind notwendig geworden, weil sich viele Gemeinden im Land zu größeren Einheiten zusammenschließen sollen. Allgemeine Kommunalwahlen finden erst 2020 statt.
Die EU bereitet unterdessen angesichts des anhaltenden Ukraine-Konflikts eine Verlängerung der im Jänner auslaufenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland vor. "Ich bin sicher, dass die EU die Sanktionen gegen Russland im Dezember verlängern wird", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag am Rande des G-20-Gipfels in Buenos Aires. "Russlands Einsatz von Gewalt gegen ukrainische Schiffe ist absolut inakzeptabel", sagte Tusk.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban stellte sich indes nach Angaben der tschechischen Nachrichtenagentur CTK angesichts der neuen Spannungen zwischen Russland und der Ukraine auf die Seite Kiews. "Wir sind eine pro-ukrainische Regierung", betonte der 55-Jährige nach einem Treffen mit seinem tschechischen Kollegen Andrej Babis am Freitag in Prag. Orban gilt als einer der wichtigsten Verbündeten des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Europäischen Union.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) forderte Antworten von Russland. Die russischen Behörden müssten bis Montag unter anderem erklären, ob Besatzungsmitglieder der ukrainischen Schiffe verletzt sind und welche medizinische Versorgung sie erhalten haben, teilte das Straßburger Gericht am Freitag mit.
Die Ukraine hatte in dem Fall den Gerichtshof angerufen und sogenannte vorläufige Maßnahmen beantragt, wie das Gericht mitteilte. So fordere Kiew unter anderem, dass die Matrosen notfallmedizinisch versorgt werden und als Kriegsgefangene möglichst schnell in ihr Heimatland zurückkehren können. Sollte das Gericht mit den Antworten Russlands nicht zufrieden sein und tatsächlich vorläufige Maßnahmen verhängen, müsste Russland sich als Mitgliedsland des Europarats daran halten.
Das russische Justizministerium wies die Fristsetzung des EGMR indes zurück. Man werde Straßburg "zeitlich angemessen" antworten, wenn das Ministerium alle notwendigen Informationen von den russischen Sicherheitsbehörden erhalten habe, teilte das Justizministerium laut Agentur Interfax am Freitag mit.