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UNO stoppt nach Luftangriff alle Hilfskonvois in Syrien

Waffenruhe gescheitert, humanitäre Hilfe zerbombt, Großmächte entzweit: Nach einer Woche der Hoffnung ist der Bürgerkrieg in Syrien in aller Heftigkeit wieder aufgeflammt. Die UNO stoppte am Dienstag alle ihre Hilfslieferungen in dem Bürgerkriegsland. Sie reagierte damit auf den tödlichen Luftangriff auf einen Hilfskonvoi am Vortag, bei dem mehr als 20 Menschen getötet wurden.

Wer dafür verantwortlich war, blieb zunächst unklar. Als "sofortige Sicherheitsmaßnahme" würden alle Konvois gestoppt, sagte der Sprecher des UN-Büros für humanitäre Hilfe (Ocha), Jens Laerke, in Genf. Bis zu einer "neuen Bewertung der Sicherheitslage" werde es keine Hilfslieferungen mehr geben. Laerke forderte eine "Untersuchung" zu dem Luftangriff.

Der Hilfskonvoi, der nach Angaben des Ocha-Sprechers vor allem Hilfsgüter der UNO transportierte, war am Montag westlich von Aleppo aus der Luft angegriffen worden. Die Lastwagen gehörten zu einem Konvoi von insgesamt 31 Fahrzeugen der UNO sowie des Roten Halbmonds, die 78.000 Menschen in der Ortschaft Orum al-Kubra versorgen wollten. Mindestens 18 Lastwagen wurden beschädigt.

Nach Angaben der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften wurden "etwa 20 Zivilisten und ein Mitarbeiter des Roten Halbmonds getötet, als sie humanitäre Hilfsgüter von den Lastwagen luden". Ein "großer Teil der Hilfsgüter" sei zerstört und das örtliche Lager des Roten Halbmonds getroffen worden. Unter den Toten war demnach auch der Leiter des Roten Halbmonds in Orum al-Kubra, Omar Barakat.

Die UNO reagierte mit Abscheu und Fassungslosigkeit auf den Luftangriff. Sollte sich der Angriff vorsätzlich gegen die Helfer gerichtet haben, "dann läuft dies auf ein Kriegsverbrechen hinaus", sagte der Chef der UN-Hilfseinsätze, Stephen O'Brien. UN-Vertreter sagten, der Hilfskonvoi sei in intensiven Verhandlungen mit den Konfliktparteien vorbereitet worden und klar als humanitärer Transport gekennzeichnet gewesen.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eröffnete mit einem Appell zur Beendigung der Gewalt in Syrien die Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York. Er rufe alle einflussreichen Kräfte in dem Bürgerkriegsland auf, "die Kämpfe einzustellen und Gespräche aufzunehmen", sagte Ban am Dienstag vor der UN-Vollversammlung in New York. Den Luftangriff am Vortag auf den humanitären Hilfskonvoi nahe Aleppo verurteilte er als "widerwärtige, barbarische und offensichtlich vorsätzliche" Tat.

Die USA richteten Vorwürfe an Moskau und Damaskus. Als Verantwortliche für den Angriff auf den Konvoi kämen nur die Luftwaffe der syrischen Regierung oder deren Verbündeter Russland infrage, sagten hochrangige Vertreter des US-Außenministeriums. Dagegen wiesen die russischen und syrischen Truppen jegliche Verantwortung für den Luftangriff zurück. Russische und syrische Flugzeuge hätten "keinen Luftangriff auf einen Hilfskonvoi der UNO im Südwesten von Aleppo" geflogen, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau laut russischen Nachrichtenagenturen mit.

Russland hat eine Untersuchung des Zwischenfalls angekündigt. "Das Militär wird die Vorgänge vom 19. September prüfen, um alle Details zu klären", teilte das Außenministerium in Moskau am Dienstag mit. Das Außenamt wies erneut Vorwürfe zurück, Russland könne verwickelt sein. "Mit Empörung nehmen wir die Versuche (...) wahr, der russischen und der syrischen Luftwaffe die Verantwortung für den Zwischenfall zu geben", hieß es der Agentur Interfax zufolge in einer Mitteilung. Für solche Anschuldigungen gebe es keine Beweise.

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, auf Videoaufzeichnungen sei gut sichtbar, dass Terroristen mit einem Lastwagen den Konvoi begleiten würden. "Auf dem Fahrzeug steht ein großkalibriger Granatwerfer", sagte Generalmajor Igor Konaschenkow. Der Vizechef des Verteidigungsausschusses in Moskau, Franz Klinzewitsch, rief die USA mit Nachdruck zur Zusammenarbeit mit Russland im Syrien-Konflikt auf. "Ich sage nicht, dass die USA den Konvoi bombardiert haben. Aber es ist klar, dass sie den Konvoi schamlos für einen Informationskrieg benutzen", kritisierte er.

In New York tagte indessen die Syrien-Unterstützergruppe. Die Außenminister aus mehr als 20 Staaten - darunter auch die USA und Russland - vereinbarten am Dienstag bei einem Treffen am Rande der UN-Vollversammlung in New York, ihre "Verhandlungen noch einmal zu intensivieren". Am Freitag soll in einem weiteren Treffen dann Bilanz gezogen werden. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, allen sei klar, dass man sich im Syrienkonflikt an einer "Wegscheide" befinde.

Vor wenigen Tagen habe es noch so ausgesehen, als ob die von den USA und Russland mühsam ausgehandelte Waffenruhe nicht nur die humanitäre Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, sondern auch den Weg zu neuen politischen Gesprächen über die Zukunft des Landes ebnen könne. Dies sei aber nun "alles zusammengebrochen", sagte der Außenminister in New York.

Die Waffenruhe war am Montag von der syrischen Armee für beendet erklärt worden. Unmittelbar darauf flammten die Kämpfe insbesondere in Aleppo und bei Damaskus wieder auf. In Aleppo und der gleichnamigen Provinz wurden nach Angaben von Aktivisten mindestens 39 Zivilisten getötet.

Große Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der Waffenruhe gab es nicht: US-Verteidigungsminister John Kerry sagte, die "Russen haben ein Abkommen unterzeichnet, jetzt muss man sehen, was sie sagen". "Aber das Wichtigste ist, dass die Russen (den syrischen Präsidenten Bashar) al-Assad kontrollieren."

Kremlsprecher Dmitr Peskow sagte dagegen, die Bedingungen für eine Erneuerung der Waffenruhe seien "sehr einfach": "Die Terroristen müssen damit aufhören, die syrische Armee anzugreifen."

UNO stoppt nach Luftangriff alle Hilfskonvois in Syrien
UNO stoppt nach Luftangriff alle Hilfskonvois in Syrien
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