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Waldbrände: Bolsonaro "Antipode der Nachhaltigkeitspolitik"

Der deutsche Umweltpolitikexperte Klaus Jacob übt angesichts der Waldbrände im Amazonas Kritik an Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. "Bolsonaro ist die Antipode der Nachhaltigkeitspolitik", sagte er am Donnerstag im APA-Interview. Da der Präsident die wirtschaftlichen Interessen seines Landes in den Vordergrund stelle, müsse man Handels- und Klimapolitik stärker miteinander verknüpfen.

Laut Jacob lehnt Bolsonaro multilaterale Prozesse ab
Laut Jacob lehnt Bolsonaro multilaterale Prozesse ab

Laut Jacob lehnt Bolsonaro multilaterale Prozesse ab, da er sie als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten Brasiliens empfindet". Die Ansicht, Nationen lösten die Probleme, stehe im "krassen Widerspruch" zur internationalen Entwicklung der letzten Jahre, "insbesondere Nachhaltigkeitsprobleme, insbesondere Klimawandel, aber auch Handelspolitik" multilateral anzugehen.

Bolsonaros Ablehnung ausländischer Hilfe bei der Bekämpfung der Brände im Amazonas sei symptomatisch für seine Politik. Nach einem Streit mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron machte Bolsonaro eine Entschuldigung von seinem Amtskollegen zur Bedingung für die Annahme der von den G7-Staaten in Aussicht gestellten Hilfe.

Dabei beschuldigte er Macron, die Souveränität Brasiliens infrage gestellt zu haben. "Das passt sehr gut in diese Argumentationsfigur, Nationen voranzustellen und zu fragen, wie die internationale Gemeinschaft überhaupt das Recht hat, sich dort einzumischen und ob Wald und Land nicht auch Eigentum und in der Verfügungsgewalt der Nationalstaaten sind", so der Forscher der Freien Universität Berlin. "Zentral ist das Argument, dass die Nation zuerst kommt", fuhr er fort.

Bolsonaro sei nur ein Beispiel für Rechtspopulismus, der auf dem Weg zur "Gegenbewegung zur liberalen, aufgeklärten, postmaterialistischen und damit auch umweltorientierten politischen Bewegung" sei. "Er gehört sicherlich zu denjenigen, die die Dramatik und die Dringlichkeit des Klimawandels abstreiten würden", so Jacob. Die Kluft zwischen "autoritär und liberal, nationalistisch und internationalistisch, materialistisch und postmaterialistisch" verdränge in der politischen Auseinandersetzung die "alte Trennung zwischen rechts-links, zwischen konservativ, liberal und progressiv, sozialdemokratisch und sozialistisch". "Das wird auch in Umfragen und Wahlergebnissen deutlich", bemerkte er. Die Stichwahl zwischen Grünen und FPÖ während der österreichischen Präsidentschaftswahl 2016 sei ein Ausdruck davon.

Jacob sprach sich aber auch gegen eine zu umfassende Rücksichtnahme gegenüber Bolsonaro aus. "Diese nationalistischen, populistischen Politiker leben ja davon, dass sie Außenseiter sind und dass sie immer wieder provozieren", erläuterte er. Da sie sich als Gegenstück zu einem etablierten System darstellten, würden sie immer wieder "Möglichkeiten zur Abgrenzung" finden. "Ich weiß nicht, ob es hilfreich ist, auf Befindlichkeiten von Politikern wie Bolsonaro und Trump Rücksicht zu nehmen", sagte er.

Der Politologe forderte darum ein verbindliches Klimaschutzabkommen mit funktionierenden Durchsetzungsmechanismen. "Aus meiner Sicht ist das Handelssystem dafür ein gutes Beispiel, denn dort gibt es eine internationale Gerichtsbarkeit, die auch im Konfliktfall gegen Mitgliedsstaaten Recht sprechen kann. Das fehlt im Klimaschutzbereich", erklärte er. Man müsse darauf pochen, dass es sich hierbei um "Allgemeingüter" handle. "Dabei darf man nicht vergessen, die eigenen Hausaufgaben zu machen. Die Abholzung von Regenwald zu beklagen und gleichzeitig den Import von Soja immer weiter zu steigern ist schizophren", kritisierte er.

Gerade deswegen müsse man Klima- und Umweltpolitik enger miteinander verknüpfen. "So könnte man sagen, dass Handelsabkommen nur mit Ländern geschlossen werden, die sich an das Pariser Abkommen halten und es auch umsetzen", schlug Jacob vor. Dies würde derzeit sowohl den Handel mit Brasilien als auch mit den USA beenden. So könne man die handelspolitischen Mechanismen nutzen, um "Klimapolitik entlang der Wertschöpfungsketten durchzusetzen".

Für den Experten muss darum die Klimapolitik auch in den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südamerika (MERCOSUR) stärker einbezogen werden. "Man hat bisher keine harten Mechanismen im Nachhaltigkeitskapitel und hier könnte nachgebessert werden", bemerkte Jacob.

Der Unmut brasilianischer Gouverneure gegen Bolsonaro erinnert den Politologen an das Verhalten einiger US-Staaten, Städte und Unternehmen, die sich nach dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen weiter an dessen Vorgaben halten wollen. "Das wird seine Grenzen haben, denn diese Einzelstaaten sind nicht in der Lage, internationale Verpflichtungen einzugehen. Sie können zwar weiter Klimaschutz betreiben, sind aber in der Rechtssetzung und in der Steuergesetzgebung nicht zuständig, sodass es nur begrenzt Handlungsmöglichkeiten gibt", sagte er.

Es sei jedoch wichtig, das Thema weiterhin zum Konflikt zu machen und so Klimapolitik weiter voranzutreiben. "Man sollte auch unbedingt in der internationalen Klimapolitik die Möglichkeit schaffen, den subnationalen Akteuren, also mit Ländern und Unternehmen und der Zivilgesellschaft Foren zu bieten und Netzwerke zu bilden", forderte Jacob.