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Wie die Corona-Krise den Ramadan überschattet

In den kommenden 30 Tagen werden Muslime auf der ganzen Welt untertags fasten und abends mit der Familie das Fastenbrechen feiern. Doch dieses Jahr fällt der Ramadan anders aus als üblich. Durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie bleiben die Moscheen geschlossen und das Mahl nach Sonnenuntergang darf nur Zuhause gegessen werden.

In Peshawar, Pakistan, desinfiziert ein Mann eine Moschee. Am morgigen Donnerstag beginnt für gläubige Muslime der heilige Fastenmonat Ramadan.
In Peshawar, Pakistan, desinfiziert ein Mann eine Moschee. Am morgigen Donnerstag beginnt für gläubige Muslime der heilige Fastenmonat Ramadan.

Der heilige Fastenmonat ist eine Zeit, in der sich die Gläubigen besonders nahe kommen sollen, durch gemeinschaftliche Gebete in den Moscheen und beim allabendlichen Fastenbrechen, dem Iftar.
Gläubige Muslime verzichten während des Ramadan vom Anbruch des Tages bis zum Sonnenuntergang auf Essen, Trinken, Rauchen und Sex. Heuer wird der Fastenmonat zwischen dem 23. beziehungsweise 24. April und 23. Mai begangen. Der Ramadan beginnt und endet, wenn die Mondsichel nach Neumond erstmals wieder sichtbar ist. In Mitteleuropa wird dies am Donnerstagabend passieren, in einigen islamischen Ländern erst am Freitag.

Ramadan ist dieses Jahr geprägt von Einschränkungen

Doch die Coronakrise bedeutet für rund 1,8 Milliarden Muslime, dass sie einen Ramadan wie nie zuvor erleben werden. Der voraussichtlich Donnerstagabend beginnende Fastenmonat ist heuer durch zahlreiche rigorose Einschränkungen geprägt - wie Moscheen-Schließungen und die Vermeidung sozialer Kontakte.

Die wirtschaftlichen Folgen der Anti-Corona-Maßnahmen sind noch unabsehbar.
Wie in anderen Weltregionen wollen Regierungen und religiöse Autoritäten verhindern, dass sich die Pandemie weiter ausbreitet, von der viele muslimische Länder besonders stark betroffen sind. Doch ob die Maßnahmen ausreichen werden, ist fraglich.

Das Coronavirus hat sich in der arabischen Welt rasch ausgebreitet

Die Krankheit hat sich etwa im Iran, in der Türkei, Saudi-Arabien und in einer Reihe nordafrikanischer Länder wie Ägypten, Marokko und Algerien rasant ausgebreitet. In Südostasien weist das bevölkerungsreichste muslimische Land, Indonesien, die höchste Todesrate in der Region auf. Wie die Lage in Bürgerkriegsgebieten wie Syrien, Libyen oder Afghanistan aussieht, lässt sich kaum abschätzen.

Aufgrund unzureichender Testungen, mangelhafter Gesundheitsversorgung, Armut und des Zusammenlebens mehrerer Generationen unter einem Dach dürfte die Dunkelziffer bei den Infektions- und Todesfällen in vielen meist autoritär regierten muslimischen Ländern weit höher liegen, als von offiziellen Stellen angegeben. Dazu kommt, dass es auch Widerstände gegen die verordneten Maßnahmen gibt.

In Pakistan kam es zu Zusammenstößen wegen geschlossenen Moscheen

Die Religionsgelehrten der Kairoer Al-Azhar-Universität, der höchsten lehrmäßigen Autorität im sunnitischen Islam, hatten Anfang April alle öffentlichen religiösen Versammlungen während des Ramadan verboten. Der Großimam von Al-Azhar, Ahmed al-Tayeb, hatte schon im März Freitagsgebete in der zur Universität gehörenden Moschee in Kairo ausgesetzt und dazu eine eigene Fatwa erlassen. Die islamische Rechtsauskunft wurde aber nicht von allen goutiert.

Nach handfesten Auseinandersetzungen hinsichtlich der Abhaltung des Freitagsgebets entschlossen sich die ägyptischen Behörden, die historische Al-Sayeda-Zainab-Moschee in der Altstadt von Kairo zu schließen. Auch in Pakistan gab es zum Teil gewaltsame Zusammenstöße wegen Moscheenschließungen.

Vom Fastenbrechen im großen Kreis wurde abgeraten

Die höchste religiöse Instanz Saudi-Arabiens, das sich als Mutterland des Islam sieht, rief dazu auf, während des Ramadan zu Hause zu beten. Während des Fastenmonats versammeln sich Muslime normalerweise dicht gedrängt zum rituellen Nachtgebet Tarawih in den Moscheen. Auch vom üblichen abendlichen Fastenbrechen im großen Kreis wurde abgeraten.

In Saudi-Arabien stehen die zwei heiligsten Stätten der Religion: die Große Moschee in Mekka und die Moschee des Propheten Mohammed in Medina. Zur jährlichen Pilgerreise Hajj kommen Millionen ins Land. Saudi-Arabien ist mit bisher rund 10.000 offiziell gemeldeten Infektionen im arabischen Raum am stärksten von dem Virus betroffen, gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar.
Auch der als drittheiligste Stätte des Islam geltende Tempelberg in Jerusalem bleibt aufgrund einer Verfügung der zuständigen Waqf-Behörde geschlossen. Üblicherweise beten während des Ramadan besonders nachts Tausende Muslime in und an der Al-Aqsa-Moschee. In Israel gelten derzeit strenge Ausgangsbeschränkungen, ebenso wie im Westjordanland.

Auch in Österreich gelten Einschränkungen im Ramadan

Auch in westlichen Ländern, in denen muslimische Minderheiten leben, gelten in Einklang mit den von den jeweiligen Regierungen verfügten Maßnahmen Einschränkungen im Ramadan. Die Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich (IGGÖ) rief dazu auf, weiter in den eigenen vier Wänden zu beten. Die Moscheen blieben auch im Ramadan geschlossen.

Die IGGÖ habe "als erste Religionsgemeinschaft in Österreich bereits vor den ersten Regierungserlässen strikte Maßnahmen zum Schutz von Gemeindemitgliedern und Mitmenschen getroffen", betonte die IGGÖ in einer Aussendung.

Mit Schutzmasken zum Beten in die Moschee?

IGGÖ-Präsident Ümit Vural erklärte am Wochenende im ORF-Fernsehen, die Gesundheit der Gläubigen stehe im Vordergrund. Erste Schritte zu einer eventuellen Lockerung würden mit den anderen Religionsgemeinschaften akkordiert. So könnte etwa künftig mit eigenen Teppichen, Schutzmasken und Sicherheitsabstand in Moscheen gebetet werden.


In Deutschland schilderte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, gegenüber "Zeit Online" sehr plastisch die Problematik: "Im Ramadan platzen die Moscheen normalerweise jeden Tag aus allen Nähten." Die Infektionsgefahr sei zu groß, auch weil Moscheen üblicherweise weniger Platz böten als Kirchen. Unter anderem durch das Niederwerfen beim Gebet und den Kontakt der Betenden zum Teppichboden würden die Gebetsversammlungen zum unvertretbar hohen gesundheitlichen Risiko.

Kritik von der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs

Die länderübergreifende konservative Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (türkisch: Nationale Sicht) dagegen forderte jedoch noch in der Vorwoche eine Öffnung der Bethäuser für Versammlungen. "Gottesdienst-Verbote sind nicht nachvollziehbar, wenn das Shoppen in der Stadt erlaubt ist.

Es entsteht der Eindruck, als stünden derzeit ökonomische Überlegungen über garantierten Grundrechten. Das darf nicht passieren", erklärte Bekir Altas, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft, am 17. April.

WHO: Gesunde Menschen können auch während der Pandemie fasten

Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt in einer Aussendung, dass die Muslime auch während des Ramadans darauf achten, genügend Abstand zu anderen Menschen zu halten und auf regelmäßiges Händewaschen zu achten. Das sollte Gläubige aber nicht daran hindern, während des Ramadans zu fasten. Denn wie die WHO informiert, gäbe es keine Studien, die einen Zusammenhang zwischen Fasten und einem erhöhten Risiko an einer Covid-19-Infektion feststellen. Gesunde Menschen seien also in der Lage, während des Ramadan zu fasten.