"Ja, ich habe bei jeder sich bietenden Gelegenheit fotografiert und gefilmt", grinst Helmut Kandler. Und das seit mehr als einem halben Jahrhundert. Das Archiv in seinem Haus gleicht einem filmischen Museum: Videokassetten, Filmrollen, Dia-Kassetten, Fotos, alte Fotoapparate, Videokameras aus der Pionierzeit, wohin das Auge blickt. Für Muhr bedeutet diese Sammlung einen unglaublichen Schatz. Der soll nun bald auch gehoben und für spätere Generationen digital gesichert werden.
In die Holz- und Sägefachschule nach Kuchl haben ihn die Eltern geschickt. Dort hatte er sein Aha-Erlebnis, was die Fotografie betrifft. "Wir haben von der Schule aus viele Exkursionen zu Holz verarbeitenden Betrieben und Maschinenfirmen gemacht", erinnert er sich, "darunter etwa zur Skifirma Kästle nach Vorarlberg und auf die Insel Mainau. Ich habe da schon einen Fotoapparat mitgehabt und war selbst über das Ergebnis erstaunt. Es war faszinierend, festhalten zu können, was mir gefallen hat. Beim anschließenden Militärdienst in Siezenheim habe ich außer Gewehrschüssen auch so manche Schnappschüsse mit der Kamera gemacht." Die Medien Fotografie und Film haben den jungen Muhrer nicht mehr losgelassen. Auch nicht, nachdem er die Transportfirma seines Vaters übernommen hatte. Lang waren die Tage, als er mit seinen Lkw unter anderem auch beim Autobahnbau im Einsatz war und immer wieder Bilddokumente von Baustellen machte. Aber in der Freizeit, da wurde gefilmt. Seine erste Stummfilmkamera bekam er 1974 von einem Stammgast in seiner Frühstückspension geschenkt. Den hatte er während eines Urlaubs in der Umgebung herumchauffiert. Als Dank dafür schenkte ihm der Deutsche seine gebrauchte Super-8-Kamera. Helmut Kandler fühlte sich im Hollywoodhimmel.
Es gab aber einen großen Wermutstropfen: Für eine Drei-Minuten-Filmkassette musste er 140 Schilling hinblättern, den belichteten Film ins Labor schicken und dann eine Woche lang auf das fertige Ergebnis warten. Schneiden, zusammenkleben, Projektor und Leinwand aufbauen … - viel, viel Arbeit also - waren da noch nicht inbegriffen. Natürlich ließ sich der Lungauer trotzdem nicht beirren, filmte alles, was sich ihm in Muhr und Umgebung bot. Von der Kreuzeinweihung bis zur Bergmesse, vom Samsonumzug bis zum Prangstangenfest, vom Maskenball über sportliche Wettkämpfe bis hin zu Geburtstagsfeiern und Hochzeiten. Helmut Kandler besitzt sogar filmische Aufnahmen vom Vereinigten-Festzug in Tamsweg, die vierzig Jahre und älter sind. Besonders profitiert haben dabei natürlich die Muhrer Vereine. Beim USK Muhr und beim Verkehrsverein war er Obmann, und da gab es viele Veranstaltungen zu filmen und zu fotografieren. 1978 fuhr er mit der Muhrer Musikkapelle, dem Männerchor und den Almglöcklern auf Werbetour nach Deutschland. "Nürnberg, Wiesbaden, Mainz, Worms und Stuttgart waren unsere Stationen, geschlafen haben wir in Jugendherbergen. Es war ziemlich anstrengend, aber auch sehr gesellig, und das alles habe ich natürlich gefilmt."
Eine neue Super-8-Kamera, die er sich kaufte, hatte dann schon ein kleines Zoom. Der ganz große Schritt aber gelang Anfang der Achtzigerjahre, als sich der Muhrer eine der ersten VHS-Videokameras zulegte, die überhaupt zu bekommen waren. Dafür machte Helmut Kandler mit seinem Sohn einen Ausflug nach Nürnberg, wo er das damals sehr schwere Gerät etwas günstiger kaufen konnte. "Das große Zittern kam dann am Walserberg bei Salzburg", erzählt er, "um die doch sehr teuren Zollgebühren zu sparen, musste ich das Ding ja über die Grenze schmuggeln!" Es ging alles gut und der Fortschritt für den Filmfanatiker war kaum zu fassen: "Man muss sich das vorstellen: Plötzlich hatte ich eine Kamera, da kostete mich eine VHS-Kassette für drei Stunden dasselbe wie vorher eine Super-8-Kassette für nur drei Minuten. Und zudem hatte ich Bild UND Ton und konnte meine Aufnahmen sofort am eigenen Fernsehgerät anschauen."
Derzeit ist Helmut Kandler dabei, inzwischen als rüstiger Pensionist, all sein Material zu sichten und zu digitalisieren. Tagelang sitzt er in seinem Büro und nimmt sich Streifen für Streifen vor. Der Muhrer Vizebürgermeister und Obmann des Nationalpark- und Kulturvereins, Hans-Jürgen Schiefer, hatte vergangenen Herbst die Idee gehabt, mit ihm interessantes Bildmaterial zusammenzustellen und den filmischen Goldschatz für Muhr der Bevölkerung zu zeigen. Schon bald, so sieht es aus, könnte es den einen oder anderen Filmabend geben. Mit G'schichteln aus alten Zeiten.