Eigentlich war im Salzburger Captagonprozess, eines der größten Drogenverfahren der vergangenen Jahre in Österreich, für Ende Jänner ein (erstinstanzliches) Urteil geplant. In dem seit 14. Dezember laufenden Großprozess wird 14 nicht geständigen Angeklagten angelastet, als Mitglieder einer internationalen Tätergruppe 13,8 Millionen Stück amphetaminhaltige Captagonpillen aus dem Libanon eingeschmuggelt zu haben. In einer Pizzeria im Flachgau sollen die Drogen dann umverpackt und - versteckt etwa in Pizzaöfen - schließlich nach Saudi-Arabien verschickt und dort mit Millionengewinn verkauft worden sein. Hauptangeklagt sind etliche Mitglieder einer aus dem Libanon stammenden, im Flachgau und in Tirol lebenden Familie.
Der Prozess, jahrelang wurde zuvor ermittelt und inzwischen gab es auch bereits rund 20 Hauptverhandlungstage, stand schon vor seinem Beginn unter keinem guten Stern. Es wurde bekannt, dass just der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft - ein Iraker (41), der die Angeklagten schwer belastet - mit der im Ermittlungsverfahren tätigen Hauptdolmetscherin liiert ist. Die von den beiden geheim gehaltene Beziehung bestand offenbar schon seit 2019. Und sie hatte zur Folge, dass das Gericht Tausende Telefonüberwachungsprotokolle und auch viele Vernehmungen, die die Dolmetscherin übersetzt hatte, nun neu übersetzen lassen musste. Dafür beauftragte der Schöffensenat etliche Dolmetscher aus ganz Österreich - das Gros der Neu-Übersetzungen ist inzwischen erfolgt.
Auch ein krankheitsbedingt erforderlicher Wechsel der beisitzenden Richterin verzögerte den Prozess, in dem nach dem Kronzeugen zuletzt etliche andere Zeugen gehört wurden.
Brisant: Rechtsanwalt Kurt Jelinek, er verteidigt vier der Angeklagten, hegt den dringenden Verdacht, dass der Kronzeuge schon vor seinem - angeblich - erstmaligen Auftreten bei der Salzburger Polizei im Juli 2020 bereits als V-Mann ("VP") für ebendiese, konkret für das Landeskriminalamt, tätig gewesen sei - und zwar im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren. Der Hauptermittler im Captagonverfahren, so Jelinek, habe dies in seinen Berichten aber verschwiegen bzw. Ermittlungsberichte "unrichtig dargestellt".
Jelinek und seine Verteidigerkollegen stellten nun am Freitag insgesamt rund zehn Beweisanträge; unter anderem wurden die Einvernahmen des besagten Ermittlers und der Hauptdolmetscherin gefordert. Das Gericht wies die Anträge jedoch fast alle ab, einzig die Dolmetscherin soll gehört werden.